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Nachspielzeit: Eine unvollendete Fußballkarriere (German Edition)

Nachspielzeit: Eine unvollendete Fußballkarriere (German Edition)

Titel: Nachspielzeit: Eine unvollendete Fußballkarriere (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timo Heinze
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Umstände können sehr vieles verändern.
    Die Leute, die mich näher kennen, würden mich wohl als Typ am ehesten zur Gruppe der Denker rechnen. Allerdings besaß ich zu meinen besten Zeiten ein starkes Selbstbewusstsein auf dem Platz und dachte nicht zu viel nach während des Spiels. In wirklich guten Phasen gehörte ich tatsächlich zu den Schizophrenen. Ganz einfach weil ich zu dieser Zeit die Rückendeckung vom Trainer bekam. Um ehrlich zu sein, ich war immer ein Spieler, der das Vertrauen brauchte, um dann gute Leistungen zu bringen. Vielleicht war ich in diesem Punkt nicht hart genug. Wenn ich mich in meiner Situation unwohl fühlte und die Anerkennung des Trainers vermisste, fiel meine Leistung rapide ab. Einem Thomas Müller zum Beispiel wäre das niemals passiert.
    Doch so wie mir ergeht es einer Menge Fußballer, die meisten sind ähnlich veranlagt. Nur eine verschwindend geringe Anzahl an Spielern schafft es, ohne in irgendeiner Art und Weise gepusht zu werden. Manche haben den Vorteil, dass ihnen von den entscheidenden Leuten helfend unter die Arme gegriffen wird, und sie starten voll durch. Ohne Glück schaffen es nur die wenigsten. Mir war dieses Glück nicht beschieden.
Nachdem ich gestern und heute Morgen die Umgebung von Ubud abgeklappert habe, möchte ich jetzt die Stadt selbst erkunden. Eine der bekanntesten Sehenswürdigkeiten ist der Monkey Forest, also der Affenwald. In diesem Dschungel leben tatsächlich über dreihundert Primaten. Der Wald gilt als heilig und beherbergt, welch Überraschung, drei Tempel. Vor allem aber steht er exemplarisch für das einträchtige Miteinander von Mensch und Natur. Als ich auf einer Treppenstufe vor dem Kassenhäuschen sitze, bekomme ich einen ersten Eindruck von diesem Leben in Einklang mit den Tieren.
Ich bin dabei, meine Sachen sicher in meinen Taschen zu verstauen, denn die Affen sind angeblich wahre Meisterdiebe und grabschen sich geschickt alles, was nicht niet- und nagelfest ist. Als ich gerade aufstehen will, spüre ich einen feinen Wasserstrahl auf meinen rechten T-Shirt-Ärmel tröpfeln. Ruckartig hüpfe ich zur Seite, um nicht noch mehr abzubekommen. Es wird doch wohl nicht regnen. Weit gefehlt. Mein Blick geht nach oben auf das Dach des Häuschens. Da sitzt ein kleiner Affe mit grauer Sturmfrisur und schaut ganz unbeteiligt aus der Wäsche. Der Drecksack hat mich doch tatsächlich angepinkelt! Und jetzt hockt er da frech herum, als würde ihn das gar nichts angehen. Glücklicherweise habe ich nur sehr wenig abbekommen. Trotzdem, Vorfreude sieht anders aus, als ich endgültig in den Affenwald marschiere.
Der Monkey Forest an sich ist sehr schön, aber wie in der Wildnis kommt man sich leider nicht vor. Dafür sind die Affen viel zu zutraulich und offensichtlich an Menschen gewöhnt. Sie kommen ganz nah zu den Besuchern und klettern sogar teilweise auf ihnen herum. Die Umgebung ist wirklich sehenswert, und daher spaziere ich einmal durch den gesamten Park, auf Fußwegen vorbei an den einzelnen Tempeln, über eine Brücke, die mir über eine Dschungelbucht verhilft, und schließlich wieder hinaus zum Ausgang. Ein wenig enttäuscht bin ich schon, ich hatte doch mehr erwartet. Doch vielleicht bin ich auch einfach immer noch sauer auf das wandelnde, grauhaarige Manneken Pis vom Eingang.
Zu allem Überfluss lassen mich meine Flip-Flops auch noch im Stich und fallen auseinander. Und weit und breit finde ich erstaunlicherweise keine erschwinglichen Sandalen, für die ich mich nicht in Grund und Boden schämen würde. Entweder zu teuer oder zu hässlich. So mache ich mich barfuß auf den Rückweg. Ich tippele also vorsichtig über die verdreckten Straßen und muss bei jedem Schritt höllisch aufpassen, wohin ich trete. Das habe ich jetzt davon. Hauptsache, die Eitelkeit bewahrt, sage ich mir kopfschüttelnd.
Ach ja, heute findet das Champions-League-Finale statt. Eine Bar überträgt doch tatsächlich live, steht am Eingang. Früher undenkbar gewesen, dass ich mir das entgehen lasse. Noch dazu, weil die Bayern gegen Inter Mailand spielen und Holger Badstuber und Thomas Müller dabei sind, die bis vor gut einem Jahr noch meine Teamkollegen waren. Aber bei aller Liebe, Anpfiff ist um zwei Uhr fünfundvierzig Ortszeit. Nachts. Und zur Bar laufe ich mindestens eine Viertelstunde. Das tu ich mir nicht an, allein schon wegen der Hunde nicht. Morgen werde ich Ubud, meinen zentralen Ausgangspunkt und längst auserkorene Lieblingsstadt, erneut verlassen. Vom dreisten

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