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Nachspielzeit: Eine unvollendete Fußballkarriere (German Edition)

Nachspielzeit: Eine unvollendete Fußballkarriere (German Edition)

Titel: Nachspielzeit: Eine unvollendete Fußballkarriere (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timo Heinze
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Ich kam frisch von den Bayern, war zwischenzeitlich Kapitän und mehrfacher Jugendnationalspieler gewesen. Und in der Vorbereitung zeigte ich schließlich auch, was ich draufhatte. Doch mein Ansehen schwand mit jedem weiteren Spiel auf der Bank. Und bis auf einen wertvollen Kollegen, und inzwischen Freund, nahm sich meiner auch nicht wirklich jemand an. Wobei, ehrlich gesagt hätte ich von den meisten Mitspielern ohnehin keine Zuwendung gewollt. Ich machte die Sache lieber für mich selbst aus. Ob das letztendlich der richtige Weg war, sei dahingestellt.
    Aufgeben gab es bei mir aber noch nie, also spulte ich wie ein Uhrwerk mein Programm ab. Ich tat weiterhin alles für meinen Körper, machte meine gewohnten Zusatzübungen, blieb gesund und unverletzt. Doch Spaß hatte ich schon lange keinen mehr. Ich versuchte mir einzureden, dass dieser Zustand nur vorübergehend und deshalb normal sei. Aber das war er nicht. Es ist schlimm, morgens aufzuwachen und zu merken, dass man am liebsten liegen bleiben und nicht ins Training gehen möchte. Damals widerfuhr mir dieses Gefühl fast jeden Tag.
Ernesto hat Wort gehalten und mir eine E-Mail geschickt. Auch von Leon erhalte ich eine Nachricht. Er schwärmt von den Wellen auf Lombok, und es hört sich so an, als würde er dort noch eine Weile bleiben. Am Abend sind Ernesto und ich zum Essen verabredet. Ich nehme meine Reisebegleitung Ina mit, und er kommt mit Rosario, auch aus Spanien, genauer gesagt, Barcelona. Er hat sie schon vor Wochen unterwegs kennengelernt und ebenfalls hier wiedergetroffen. Rosario ist klein, ein bisschen untersetzt und zieht ihr Bein beim Gehen leicht nach. Sie ist nett und freundlich, aber auch ziemlich zurückhaltend. Und weil auch Ina mit ihrem brüchigen Englisch sehr sparsam umgeht, sind es eben Ernesto und ich, die fast den ganzen Abend labern.

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    28.5.
    Casting für Österreich
Heute Vormittag nehme ich einen Spaziergang rund um die Insel in Angriff. Das Eiland hier ist ein kleines Phänomen. Am Hauptstrand im Osten von Gili Trawangan, meinem Startpunkt, ist sehr viel los. Auf der gegenüberliegenden Seite im Westen jedoch zeigt die Insel eine ganz andere Facette. Hier hält sich, bis auf ein paar Spaziergänger, keine Menschenseele auf, und es reiht sich ein naturbelassener Strand an den nächsten. Vom ausgelassenen Feiern unter lauter gutgelaunten Menschen auf der einen bis hin zum Genuss himmlischer Ruhe in atemberaubender Umgebung auf der anderen Seite sind es nur ein paar Minuten.
    Bei mir waren es vom Kapitän der Reserve des FC Bayern, der auf dem Wunschzettel zahlreicher Zweit- und sogar zweier Erstligisten stand, bis hin zum fast vergessenen Auswechselspieler eines mittelmäßigen Drittligisten nur sechs Monate. Bis zur Winterpause spielte ich nicht eine einzige Minute mehr. Mitspieler verletzten sich zuhauf, doch der Trainer war enorm kreativ darin, immer wieder neue Varianten auszutüfteln, damit ich doch wieder auf der Bank Platz nehmen musste. Ich war so etwas wie das Aussetzblatt in seinem persönlichen Kartenspiel. Teilweise übernahmen sogar Jungs meine vakante Stelle, die eigentlich auf ganz anderen Positionen ihre Stärken hatten. Zu guter Letzt wurde mir sogar ein Spieler vorgezogen, der frisch aus der zweiten Mannschaft zu uns stieß. Das konnte doch alles schon nicht mehr wahr sein. Ich weiß gar nicht mehr, wie oft ich mich im restlichen Saisonverlauf die komplette zweite Hälfte warm gemacht habe. Immer gewissenhaft und in der Erwartung, eingewechselt zu werden. Doch es passierte nie.
    Es war klar, dass ich so schnell wie möglich das Weite suchen musste. Doch das Interesse an einem Spieler, der kaum Einsätze hat, nimmt in kurzer Zeit rapide ab. Diese schmerzliche Erfahrung hatte ich bereits wenige Monate zuvor gemacht, deshalb war ich überhaupt erst hier gelandet. Natürlich war es jetzt noch schwieriger, einen ordentlichen Verein zu finden. Besonders in der Winterpause, wo der Fußballmarkt generell deutlich weniger hergibt als im Sommer. Ich hatte ein mittelmäßiges Angebot aus der Schweiz, doch die Manager beider Clubs konnten sich nicht so recht einigen. Es ging wohl hauptsächlich darum, wer ab wann mein Gehalt bezahlen sollte. Ansonsten gab es nur lose Anfragen von schlechteren Drittligisten, die weder finanziell noch perspektivisch gesehen besonders reizvoll waren. Deshalb war ich umso glücklicher, als ich am Anfang der Vorbereitung zur Rückrunde ein Probetraining bei LASK Linz machen

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