Nachspielzeit: Eine unvollendete Fußballkarriere (German Edition)
zu verrichten, jetzt als rechter Verteidiger, und wirkte dabei nicht mehr annähernd so souverän wie in Hälfte eins.
Aleksandr Hleb spielte in einigen Situationen Katz und Maus mit mir. Dieser eigentlich geniale Kicker enttäuschte zu seiner Zeit in Stuttgart auf ganzer Linie. Doch ausgerechnet an diesem kühlen Winterabend schien er seine persönliche Sternstunde zu feiern. Wir verloren am Ende viel zu knapp mit eins zu zwei.
Natürlich war ich enttäuscht aufgrund meines Auftrittes in der zweiten Hälfte. Und mir war auch klar, dass es damit ganz eng werden würde für einen möglichen Transfer. Doch hoffnungslos war die Lage nicht. Der Trainer hatte mir zu verstehen gegeben, dass er sich in den kommenden Tagen melden würde und ich wahrscheinlich noch ein paar Tage in Linz mittrainieren sollte, damit er sich ein endgültiges Bild von mir machen könnte. Ich spekulierte darauf, dass er von meiner Leistung in der ersten Hälfte angetan war und die zweite, aufgrund der offensichtlichen Müdigkeit, vielleicht ein wenig außen vor lassen würde. Leider tat er das nicht. Nach ein paar elenden Tagen quälender Warterei informierte mich mein Berater über die Absage aus Linz. Und damit war mir mein Ausweg aus der Misere zu Hause auch schon wieder verbaut.
Meine Inseltour dauerte mit reichlich Pausen zwar nur zweieinhalb Stunden, doch die Sonne hat mir ganz schön zugesetzt. Ich will zur Neuauflage unserer Beachsoccer-Partie wieder fit sein und gönne mir ein ausgedehntes Nickerchen. Ausgeruht und guten Mutes verlasse ich anschließend mein Zimmer und will mich auf den Weg zum Strand machen. Ich öffne die Eingangstür zur Anlage des Homestay – und zucke überrascht zusammen. Direkt davor steht Leon mit seinem breiten Grinsen. Der verrückte Vogel ist doch noch gekommen. Ich freue mich natürlich wahnsinnig, denn damit habe ich überhaupt nicht gerechnet. Er erzählt, dass er sich die Party am Abend mit mir nicht entgehen lassen will. Denn wie man hört, soll hier heute ganz schön was los sein. Erst einmal aber schleppe ich Leon kurzerhand mit an den Strand. Wir sitzen eine Weile im Sand und bringen uns gegenseitig auf den neuesten Stand der Dinge. Zum Rückspiel der Strandfußballpartie kommt es zu meinem Bedauern nicht. Die Einheimischen haben heute keine Lust. Entweder sind sie einfach zu breit vom Kiffen, oder sie haben die Niederlage von gestern noch nicht ganz verdaut. Oder beides.
Am Abend essen wir wieder in der gleichen Besetzung wie gestern, nur mit Leon als Neuzugang. Der hat aber erwartungsgemäß keine Probleme, Anschluss zu finden, und quatscht munter drauflos. Anschließend sichern wir uns frühzeitig einen Platz in Rudy’s Bar, wo heute die Party abgehen soll. Und das tut sie tatsächlich. Es wird unter freiem Himmel und in luftiger Kleidung viel getanzt, gelacht und getrunken. Tief in der Nacht erst verlassen wir die heitere Feier und torkeln zurück nach Hause. Leon geht dann irgendwann auf sein Zimmer. Ich bleibe mit Ina allein zurück auf der Terrasse.
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29.5.
Sprint aus dem Paradies
Nach nur wenigen Stunden Schlaf schälen Leon und ich uns aus dem Bett. Das letzte Boot verlässt das Ufer bereits um halb zehn. Wir schippern nach Gili Air, einer der beiden Nachbarinseln. Während wir beide so manchen Schwank aus unserem Leben erzählen, spazieren wir gemütlich um die Insel. Ich kann es kaum fassen, aber Gili Air ist landschaftlich sogar noch ein Stück atemberaubender als Trawangan. Palmen über Palmen, ein verlassener Strandabschnitt unberührter und traumhafter als der andere, dazu Sand weiß wie Schnee. Und diese Geräuschlosigkeit. Unser Rundgang dauert nur etwas länger als eine Stunde. In dieser Zeit begegnen wir genau drei Menschen und ein paar kleinen Eidechsen, sonst niemandem. Einige kreischende Vögel aus der Ferne und das unverkennbare Geräusch des Meeres, sonst hören wir nichts. Es herrscht eine paradiesische Stille.
Nach der Absage aus Linz wollte ich einfach nur meine Ruhe. Die Enttäuschung saß tief. Sogar so tief, dass ich mich tagelang komplett abkapselte. Ich war nicht erreichbar, für niemanden. Egal, ob Anrufe, SMS oder E-Mails, ich reagierte auf gar nichts. Normalerweise ist das nicht meine Art, aber in diesen Tagen wollte ich für mich alleine sein. Erst als sich meine Eltern immer sorgenvoller meldeten und auf ein Lebenszeichen drängten, hatte ich ein Einsehen und antwortete. Es war natürlich auch alles andere als gerecht, mein Umfeld
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