Nachsuche
er gesagt. Wozu dann die andere umbringen? Er hat sie nicht umgebracht. Nur sich in seinem Kopf ausgemalt. Deshalb ist er so verwirrt gewesen, wie sie tot war. Sind ihm Phantasie und Wirklichkeit durcheinandergeraten. Verstehen Sie nicht?«
Shishi schaut Noldi mit einem strengen Blick an.
»Würde Ihnen auch so gehen, wenn Sie eine Tote finden.«
Noldi verzichtet, sie darauf hinzuweisen, dass es zu seinem Job gehört, Tote zu finden. Stattdessen fragt er: »Wo sind die Sachen, die Kevin aus der Wohnung mitgenommen hat?«
»Ich glaube, hat sie weggeworfen.«
»Wo?«
»Keine Ahnung. Hat er nicht gesagt.«
Das Thema interessiert sie nicht. Sie steht auf, fragt: »Kann ich jetzt gehen?«
»Ja«, sagt Noldi, »aber Sie müssen noch einmal kommen, um das Protokoll zu unterschreiben. Bis dahin haben Sie Zeit, zu überlegen, ob Sie jetzt, nachdem Herr Pfähler tot ist, immer noch eine Falschaussage machen wollen.«
»Das ist alles die Wahrheit. Ich habe Ihnen alles nur Wahrheit gesagt«, antwortet sie, geht zur Tür, greift nach der Klinke, dreht sich dann um und fragt mit dünner Stimme: »Kommt er wirklich nicht mehr. Nie mehr?«
»Ich fürchte, nein«, sagt Noldi zögernd.
Sie geht mit vorsichtigen kleinen Schritten zu ihrem Stuhl zurück, setzt sich, fragt: »Kann ich bitte Glas Wasser haben?«
Noldi bringt es ihr.
Sie bedankt sich, trinkt, stellt das Glas auf den Tisch, steht auf. Diesmal geht sie wirklich und schließt die Tür leise hinter sich.
Nachdem ihre Schritte auf dem Gang nicht mehr zu hören sind, überlegt Noldi, dass, vorausgesetzt ihre Aussage entspricht zumindest in diesem Punkt der Wahrheit, Bertis Sachen vielleicht noch irgendwo sind. Und zwar am ehesten in Neugrüt. Dass Kevin aus Bertis Wohnung scheinbar wahllos Dinge verschwinden ließ, hat er, Noldi, selbst festgestellt.
Der Beweis, von dem Noldi annimmt, dass es die Computer-Scans sind, war aber nicht dabei. Die liegen jetzt in Noldis Schublade. Kevin musste es bemerkt haben, sonst wäre er kaum in die Wohnung zurückgekehrt, wo Noldi ihn bei seinem zweiten Besuch antraf. Aber, was hat er sonst mitgenommen? Und wo sind die Sachen?
Er fährt noch einmal nach Neugrüt, stellt den Wagen im Hof ab. Das Haus riecht muffig, feucht und ist sehr still. Einmal fährt draußen ein Auto vorbei.
Noldi überlegt, wo Kevin seine Beute versteckt haben könnte. Er steht mitten im Flur, weiß nicht recht, wie weiter. Dann beginnt er systematisch alles abzusuchen, doch nirgends gibt es ein Anzeichen, dass jemand die verstaubten Räume betreten hat. Auch der Abort am Ende des Hausganges ist unbenützt, voll Spinnweben und es riecht kaum mehr nach Exkrementen. Noldi fragt sich flüchtig, wo Pfähler seine Notdurft verrichtet hat. Wahrscheinlich ist er ins Freie gegangen. Neben dem Abortsitz hängt an einem Nagel eine in handliche Stücke geschnittene Zeitung als WC-Papier. Wie beim Großvater, denkt Noldi. Gedankenlos hebt er den Deckel vom Sitz. Dann stutzt er. Unten im Loch glänzt etwas, grau und neu, keine Spur von Staub. Noldi starrt hinunter, bis sein Gehirn schaltet. Das könnte ein Müllsack mit Bertis Sachen sein. Aber wie kommt der hierher, wo keiner das Klo betreten hat?
Noldi rennt den Gang zurück in den Hof und dort um das Haus. An der Rückwand des Abortes lehnen wie zufällig ein paar Latten. Noldi räumt sie beiseite. Die Bretter darunter sind abgefault. Er kann sie mühelos wegräumen und den Sack hervorziehen. Er schleppt ihn ins Auto, fährt ins Büro. Dort schiebt er seinen Stuhl ganz an den Schreibtisch, damit er genug Platz hat, breitet eine Plastikunterlage auf den Boden, zieht Handschuhe an und stülpt den Sack um.
Es scheint sich tatsächlich um die Sachen von Berti Walter zu handeln. Kevin hat wahllos alles eingepackt, auch Dinge, von denen sich Noldi beim besten Willen nicht vorstellen kann, dass es Beweise für Corinnas ursprüngliches Geschlecht sein könnten. Er wühlt sich durch Bertis Schmutzwäsche, aus der ein Laptop und eine Flut von CDs und DVDs zum Vorschein kommen, vermischt mit etwas, das nur der Inhalt eines Abfalleimers aus der Küche sein kann. Den Beschriftungen zufolge handelt es sich um romantische Filme, Fernsehserien. Auch einige CDs mit der Buchhaltung vom Coiffeursalon Frisco sind darunter. Alles nicht sehr spannend, denkt er. Immerhin macht er noch zwei interessante Funde. In ein Geschirrtuch gewickelt, findet er zwei Injektionsspritzen, die eine voll, die andere leer. Und auf dem Grund des Sackes
Weitere Kostenlose Bücher