Nachsuche
aus mehreren Gängen mit nichts als schmalen Metalltüren an den Wänden. Nach einigem Hin und Her finden sie die gesuchte Nummer.
»Sie können gerne aufschließen«, sagt Noldi zu seinem Berater, »aber fassen Sie bitte nichts an im Fach. Ich will nur sehen, ob es etwas gibt, das für unseren Fall relevant ist. Wenn nicht, war ich nie da, sonst komme ich mit der Spurensicherung wieder, und zwar ganz offiziell. Das tut Ihnen dann sicher nicht weh.«
Sie öffnen das Fach. Dann trägt ihm der Mann die Schublade in eine stickige Kabine. Darin befinden sich nur eine kleine Abstellfläche und ein Stuhl.
»Da kriegt man ja Platzangst«, sagt Noldi.
Der andere stellt die Schublade ab und will Noldi allein lassen.
»Nein, bleiben Sie da. Sie sind jetzt mein Zeuge, dass ich mir nichts aneigne, was mir nicht gehört.«
Noldi zieht seine Gummihandschuhe an und öffnet den Deckel. In der Schublade befindet sich nur ein dicker roter Ordner. Noldi blättert ihn durch und sieht bald, dass es sich um die Vermögensverwaltung von Berti Walter handelt. Und er sieht auch, wie groß dieses Vermögen ist. In einer weiteren, wesentlich dünneren Mappe findet er noch Angaben über Konten in Deutschland. Schwarzgeld, denkt er. Da geht es noch einmal um hohe Beträge.
Nicht schlecht, denkt er, nicht schlecht. Da sind Leute schon für sehr viel weniger umgebracht worden.
Er legt alles fein säuberlich zurück und schließt den Deckel. Dann bedankt er sich bei seinem Berater, verlässt die Bank. Er ist froh, dass er zurück nach Turbenthal fahren kann. Dort setzt er sich an seinen Schreibtisch und versucht nachzudenken.
Möglicherweise hat Beer recht und er erträgt es nicht, auf dem Holzweg zu sein, sagt er sich mit zusammengebissenen Zähnen, aber weiter recherchieren wird er trotzdem.
In Ermangelung einer besseren Idee hängt er sich an Karl Eugen Wehrli. Er ruft ihn an.
»Ich hätte gern mehr über Ihren Job gewusst.«
»Bitte, fragen Sie.«
»Was sind das für Versicherungen, die Sie verkaufen?«
»Ich versichere Erbschaften.«
»Erbschaften?«
»Ja, sehen Sie, das ist so. Vor allem der Adel in Deutschland und Österreich oder Großgrundbesitzer haben zwar viel Land, aber häufig zu wenig flüssige Mittel für die anfallende Erbschaftssteuer. Das sind schnell einmal horrende Beträge. Meist sind sie in so einer Situation gezwungen, einen Teil von ihrem Grund und Boden zu verkaufen. Um dem vorzubeugen, bieten wir Versicherungen an, die in einem Erbschaftsfall Bargeld zur Verfügung stellen.«
Noldi staunt. Er hat nicht gewusst, dass es so etwas gibt.
»Das wissen die meisten nicht.«
»Sie haben gesagt, Sie seien Dienstag, den 10.11. nach Deutschland gefahren. Haben Sie einen Beweis dafür?«
»Klar«, sagt Wehrli. »Ich habe einen Kundenbesuch gemacht.«
»Kann ich erfahren, bei wem?«
Jetzt wird Wehrli vorsichtig.
»Sie werden verstehen«, sagt er, »dass diese Leute Wert auf höchste Vertraulichkeit legen.«
»Ich muss es trotzdem wissen«, erklärt Noldi geduldig. »Es bleibt unter uns, wenn Sie mit dem Mord nichts zu tun haben.«
»Gut, ich gebe Ihnen die Daten. Sie werden sehen, ich kann es nicht gewesen sein.«
»Hatten Sie ein Verhältnis mit Berti Walter?«, fragt Noldi plötzlich.
Zuzutrauen wäre es ihr, denkt er, dass sie etwas mit dem Mann ihrer Angestellten anfängt. Wo sie doch auch ihrer Freundin Corinna den Mann ausspannen wollte.
»Nein«, antwortet Wehrli ganz gelassen, »hatte ich nicht. Da könnte ich bei meinem Job ganz andere Frauen haben. Elegantere, mit mehr Stil. Wenn Sie mich fragen, an Berti Walter war nicht viel dran.«
Das sieht Henrik Niederöst allerdings ein wenig anders.
Nach dem Telefonat mit Wehrli, entschließt Noldi sich, den Doktor wieder einmal zu besuchen. Der staunt nicht schlecht, als die Praxishilfe den Polizisten Oberholzer meldet.
»Ich habe gedacht«, sagt er statt einer Begrüßung, »der Fall sei gelöst.«
»Dann«, meint Noldi, »können Sie mir endlich erzählen, was Sie damals umgetrieben hat, als wir zur Identifizierung von Berti Walter nach Zürich gefahren sind.«
»Sie geben wohl nie auf?«, fragt Niederöst und zieht die Brauen hoch.
»Nein«, sagt Noldi schlicht, »sonst wäre ich nicht bei der Polizei. Ich bin von Haus aus neugierig. Also grabe ich da ein wenig, dort ein wenig und schaue, was dabei herauskommt. Für gewöhnlich findet man auch etwas. Kann sein, dass es nichts mit dem zu tun hat, wonach man sucht. Aber die Leute regen sich auf.
Weitere Kostenlose Bücher