Nachsuche
liegt ein Schlüssel. Noldi stellt fest, dass er zu einem Bankschließfach bei der UBS Winterthur gehört. Er packt alles wieder ein. Dann nimmt er sich den Laptop vor, doch die Festplatte ist leer.
Im Gegensatz zum Fall Walter, der den Medien nur ein paar dürre Zeilen wert war, walzen sie die Ereignisse im Neugrüt mit Begeisterung breit. Es ist ein dankbares Thema.
Erstens geht es um häusliche Gewalt, pikant daran, dass die Frau den Mann ersticht. Zweitens war die Frau ursprünglich ein Mann, drittens ist ihr Ehemann ein Mörder auf der Flucht. Und als Draufgabe hat er sein Opfer nackt in den Wald geworfen. Das gibt viel zu schreiben. Vor allem Corinnas Geschlechtsumwandlung als Motiv für die Untat bietet Psychologen und andern Sachverständigen Gelegenheit zu ausufernden Kommentaren. Sie füllen gewinnbringend die Spalten.
Noldi wird wütend, als er die Artikel liest. Er fragt sich, wie kommen die Journalisten zu diesen Angaben? Corinna kann es ihnen nicht erzählt haben. Sie war bei Erscheinen der Zeitung in Untersuchungshaft. Also müssen sie es an der Pressekonferenz der Polizei erfahren haben. Kaum in Winterthur angekommen, donnert er beim Chef ins Büro.
»Hast du ihnen wirklich unter die Nase reiben müssen, dass Corinna Pfähler ursprünglich ein Mann war?«, knurrt er anstelle einer Begrüßung. »Das ist sonst nicht deine Art. Könnte es sein, du bist deiner Sache doch nicht ganz so sicher, dass Pfähler der Mörder von Berti Walter ist?«
Beer antwortet leichthin: »Für die Frau ist es besser, wenn er es war. Das macht die Notwehr glaubwürdiger.«
»Und du reitest so penetrant auf dem Motiv herum, bis du selber glaubst, dass er der Mörder ist.«
»Jetzt gehst du zu weit, Oberholzer«, schnappt der Chef.
»Im Gegenteil«, k0ntert Noldi frech, »im Gegenteil. Wenn es so ist, ehrt dich das, denn es bedeutet, dass dir nicht ganz wohl dabei ist, den Fall einfach abzuschließen.«
Die beiden Männer stehen Nase an Nase einander gegenüber, bis Beer sagt: »Okay, okay, wir kennen einander zu gut. Was willst du?«
»Weiter recherchieren«, antwortet Noldi.
»Meinetwegen. Ich weiß, du tust es auch ohne meine Zustimmung. Aber sag mir, worauf stützt sich dein Verdacht?«
»Erstens, alle sagen, er war es nicht. Genau wie er selbst. Zweitens, in den Sachen, die Pfähler aus der Wohnung von Berti Walter mitgenommen hat, sind zwei Spritzen. Eine voll, die Zweite leer.«
»Interessant«, sagt Beer und sein Ton wird wieder schärfer. »Aber das beweist nichts. Also, eines muss klar sein, ich lasse nicht zu, dass du Zeit und Steuergelder verplemperst, indem du Hirngespinsten nachjagst. Entweder du bringst Resultate, aber subito, oder du lässt die Finger davon.«
»Einverstanden«, sagt Noldi beglückt und sieht zu, dass er verschwindet, bevor es sich Beer anders überlegt. Ganz wohl ist ihm bei der Sache nicht. Was, denkt er, hat er wirklich in der Hand, das einen neuen Ansatz verspricht?
Er geht zu seinem Wagen, holt den Sack und schleppt ihn ins Labor.
»Tut mir leid«, sagt er, »wenn ich euch Arbeit mache. Könnt ihr vielleicht dieses Zeug untersuchen, ohne viel Lärm darum herum? Der Chef hat mir gestattet, in der Sache Berti Walter noch ein wenig zu wühlen, aber je weniger er davon merkt, desto besser.«
Der eine Kollege will wissen, was er mit Beer angestellt hat, damit der weich geworden ist.
Der andere sagt: »Ist doch klar, dass er nichts dagegen hat. Schaut dabei etwas heraus, hat er sich einen dummen Fehler erspart, falls nicht, hat Noldi den Bock geschossen.«
»Ja, so ungefähr«, gibt Noldi zu.
Er bittet die Kollegen sich vor allem den Computer anzuschauen. »Mir kommt es vor, alles ist gelöscht worden. Wenn ihr mir da weiterhelfen könnt, habt ihr etwas bei mir gut. Und die zwei Spritzen, die wären auch interessant.«
Die Kollegen erklären sich sofort bereit. Noldi ist ein guter Kumpel, der durchaus einmal den Kopf für einen anderen hinhält. Deshalb tut man ihm gern einen Gefallen. Selbst wenn es nur halb legal ist.
Noldi bedankt sich schon im Voraus und schaut, dass er rasch verschwindet, ohne Beer noch einmal unter die Augen zu kommen.
Sicher ist sicher, denkt er. Er geht zur Bank. Dort will man ihn zuerst nicht an die Schließfächer lassen. Dann verlangt er seinen eigenen Berater, den er schon seit Jahrzehnten kennt. Der kann ihm eine Gefälligkeit schlecht verweigern und fährt nach einem halbherzigen Protest mit ihm in den Keller. Der Tresorraum unten besteht
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