Nachsuche
junge Frau in einer blonden Haarwolke zufrieden aus dem Laden. Elsbeth winkt ihr noch nach, dann kommt sie zu Noldi und lächelt ihn an.
»Jetzt ist es vorbei«, sagt sie.
»Was?«, fragt Noldi, »Haben Sie keine Kundinnen mehr?«
»Ich meine Ihren Fall«, entgegnet sie und lächelt immer noch. »Das muss doch eine Erleichterung für Sie sein.«
»Mmh.«
Noldi sucht krampfhaft nach einer unverfänglichen Einleitung für das Gespräch.
»Wollen Sie einen Espresso?«, fragt Elsbeth freundlich.
»Ja, bitte.« Und dann, er weiß nicht, welcher Teufel ihn reitet: »Sie sind Ihre Mutter.«
Elsbeth dreht sich zu ihm um, eher erfreut als betroffen.
»Wie haben Sie es herausgefunden?«
20. Der grosse Coup
Elsbeth Wehrli stammt aus dem österreichischen Waldviertel nahe der tschechischen Grenze, wo sich zurzeit des Eisernen Vorhangs Fuchs und Hase gute Nacht sagten. Ihre Eltern betrieben einen kleinen Lebensmittelladen, den der ältere Bruder übernahm. Geld für eine Ausbildung der Tochter gab es keines und im Dorf auch keine Arbeit. Elsbeth ging nach Deutschland. Dort verdingte sie sich in Stuttgart als Dienstmädchen. Sie hatte Glück, kam zu einer besseren Familie, die nur aus einem ältlichen Ehepaar und deren Sohn, einem Studenten, bestand. Das Haus war geräumig und rund um das Gebäude lag ein Garten, groß, schön, gepflegt, fast schon ein Park. Elsbeth wohnte in der ausgebauten Mansarde und besaß einen eigenen Fernseher. Ihre Pflichten bestanden in erster Linie darin, der Frau an die Hand zu gehen, sie beim Einkauf zu begleiten, zu waschen, zu bügeln, die Zimmer in Ordnung zu halten und bei Tisch zu servieren. Für das Grobe kam eine Putzfrau, eine Art Hausmeister besorgte den Garten und die Instandhaltung. Das Kochen übernahm die Hausfrau für gewöhnlich selbst. Elsbeth gefiel dieses Leben. Der Wohlstand der Familie löste den einen oder anderen Tagtraum in ihr aus. Als der junge Student ihr endlich eines Abends unter die Röcke griff, wehrte sie sich nicht. Es war eine gewisse Berechnung dabei. Sie dachte, vielleicht könnte sie ihre Lage verbessern. Wenn sie schwanger würde, müsste er sie heiraten. In diesem Punkt irrte sie sich gewaltig. Sie wurde tatsächlich schon beim ersten Mal schwanger. Um ihm die freudige Mitteilung zu überbringen, musste sie ihm bei der Haustüre auflauern, denn seit diesem ersten hatte es kein weiteres Mal gegeben. Er entschuldigte sich vielmals bei ihr, und sprach von einem Versehen.
»Ja, aber«, sagte sie fassungslos. »Willst du mich jetzt nicht heiraten?«
Er schien aus allen Wolken zu fallen, fasste sich aber dann und erklärte ihr, er würde niemals heiraten. Er sei krank, eine Erbkrankheit, er könne kein normales Leben führen.
»Das macht nichts«, erwiderte sie, »du hast doch mich.«
»Das ist lieb von dir«, antwortete er, drückte ihr die Hand.
»Selbstverständlich sorge ich dafür, dass du das Geld für die Abtreibung bekommst.«
»Ich will nicht abtreiben«, erwiderte sie heftig.
Darauf schaute er sie ratlos an, warf einen Blick auf seine Uhr.
»Ich muss jetzt weg«, sagte er.
Ein paar Tage später rief seine Mutter sie ins Esszimmer.
»Mein Sohn«, eröffnete sie ihr, »hat mir alles erzählt. Ich finde es richtig, dass Sie nicht abtreiben wollen.«
Elsbeth horchte auf.
Dann, dachte sie hoffnungsvoll, muss er mich auch heiraten. Ich will kein uneheliches Kind.
Doch da fuhr die Frau schon fort: »Eine Heirat kommt natürlich nicht infrage. Das werden Sie verstehen. Die Gründe sind Ihnen bekannt. Außerdem sind Sie älter als mein Sohn.«
»Na und«, sagte Elsbeth frech. »Wenn er so krank ist, wie er sagt, und ich ihn pflegen soll, kann ihm das egal sein.«
Die Frau blieb ruhig.
Sie sagte: »Er ist wirklich krank. Multiple Sklerose ist eine sehr tückische Krankheit. Der Verlauf ist unberechenbar. Im schlimmsten Fall kann er früh daran sterben. Er hat ein Leben vor sich, in dem die Krankheit ständig fortschreitet. Ich würde mir an Ihrer Stelle ein Leben mit einem so behinderten Mann nicht antun. Sie lieben ihn nicht und er liebt Sie nicht. Ein solches Opfer bringt man nur aus Liebe.«
Da fiel Elsbeth etwas ein.
»Und mein Kind?«, frage sie. »Wird es die Krankheit erben?«
»Kann sein«, sagte die Frau. »Zumindest muss man damit rechnen. Wenn Sie doch abtreiben wollen, regeln wir das für Sie.«
Sie blickte Elsbeth prüfend ins Gesicht.
»Nein«, sagte die schnell. »Ich behalte es.«
»Gut«, erwiderte Eugens Mutter. »Dann
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