Nachsuche
Spritzenbesteck ihres Mannes untersucht, aber das liegt nicht frei herum.
»Hoppla, nicht so eilig Noldi.«
Der Chef fängt Noldi auf dem Gang vor seinem Zimmer ab.
»Komm mit. Ich hätte gern gewusst, was du herausgefunden hast.«
»Herausgefunden«, sagt Noldi, kaum dass er auf dem Stuhl vor Beers Schreibtisch sitzt, »herausgefunden habe ich einiges. Ich habe sogar eine Person, die zur Tatzeit am Tatort war, und Zeugen dafür. Nur nützt uns das alles nichts. Der Haken ist, die Person hat nicht die Spur eines Motivs, Berti Walter umzubringen. Oder zumindest habe ich nichts dergleichen finden können.«
Beer hört ihm schweigend zu. Dann sagt er: »Mit einem Wort, du hast nichts Brauchbares in der Hand.«
»Nein«, stimmt Noldi ihm mürrisch zu.
»Und du weißt, was das heißt?«
»Ja«, sagt Noldi noch mürrischer.
»Gib zu, dass es mit allergrößter Wahrscheinlichkeit doch der Pfähler war.«
Noldi, dem die Genugtuung in Beers Stimme nicht entgeht, sagt steif: »Leider ist es mir noch nicht gelungen, das Gegenteil zu beweisen.«
»Wie auch immer«, erklärt Beer nicht unfreundlich. »Du hast deine Chance gehabt. Aber jetzt ist der Fall vom Tisch. Haben wir uns verstanden?«
Noldi kann es ihm nicht verdenken. Der Chef war fair, und er muss zugeben, womöglich war es doch Kevin Pfähler, auch wenn er, Noldi, noch immer nicht daran glaubt.
»Ich erwarte deinen Abschlussbericht.«
»Ja«, sagt Noldi, steht auf und schiebt den Stuhl ordentlich an den Tisch.
»Nimm es nicht so tragisch«, tröstet ihn der Chef.
Doch Noldi hat die Tür schon vorsichtig hinter sich geschlossen.
Er fährt sofort zurück ins Tösstal, sperrt sich im Büro ein. Er ist wütend und unzufrieden und hat keinen, dem er die Schuld geben könnte.
Am besten, sagt er sich verdrossen, macht er sich gleich an den Bericht. Dann hat er es hinter sich und muss nicht mehr daran denken.
Er holt die Unterlagen aus der Schublade, breitet sie auf dem Tisch vor sich aus, die Scans, die Fotos, alle Blätter, die er angelegt hat. Und schon drängt sich ihm wieder der ekelhafte Gedanke auf, dass er etwas übersehen hat.
Draußen geht die Tür.
Da schleicht ein Verkehrssünder herein, denkt Noldi missmutig, ist aber froh um den Aufschub, bevor er mit dem Bericht anfangen muss. Es klopft an der Bürotür und gleich darauf steht Meret vor ihm.
Noldi strahlt. Er schießt vom Stuhl hoch, umarmt seine Frau heftig, küsst sie. Ihr Besuch bedeutet eine Gnadenfrist.
»Schön, dass du kommst«, sagt er und schiebt ihr eine Sitzgelegenheit unter.
Meret lacht.
»Ah, du witterst den Kuchen.«
Sie zieht eine Schachtel aus der Tasche, die sie vor ihn hinstellt.
»Drei Mal darfst du raten«, sagt sie, »was da drinnen ist.«
»Cremeschnitten«, sagt Noldi wie aus der Pistole geschossen.
»Leider nein, diesmal nicht. Sie hatten keine mehr.«
Meret öffnet den Karton vom Ehriker Beck und Noldi sieht zwei wunderbare Éclairs, die er fast genauso gerne hat. Er stürzt an die Kaffeemaschine. Sie ist der einzige Luxus in dieser schäbigen Bude. Noldi hat sie von seinem eigenen Geld gekauft, als er den ewigen Löskaffee satthatte.
»Kurz oder lang?«, fragt er seine Frau beflissen.
»Ristretto.«
Dann löffeln sie einträchtig die Éclairs und trinken Kaffee, schwarz, stark und ohne Zucker.
Meret schaut sich neugierig auf dem Tisch um.
»Darf ich?«, fragt sie schließlich, nimmt das Foto von Berti und ihren beiden Angestellten zur Hand.
»Welche ist es?«
»Die rechts«, antwortet Noldi kurz angebunden. Am liebsten würde er ihr das Bild aus der Hand reißen. Er will nicht an Berti erinnert werden. Nicht jetzt, wo er gerade so gemütlich mit seiner Frau beisammensitzt.
Meret schaut ihn fragend an.
»Ich muss den Bericht schreiben. Beer hat den Fall endgültig abgeschlossen.«
Meret antwortet nicht. Sie schaut immer noch auf das Foto, dreht es zum Licht, um besser zu sehen.
»Komisch«, sagt sie endlich, »die eine da, die links hat nur einen Ohrring.«
»Lass sehen«, verlangt Noldi, nur mäßig interessiert.
Sie hält ihm das Foto hin und zeigt mit dem Finger auf Elsbeth. Jetzt sieht er es auch. Auf ihrer rechten Kopfseite schaut ganz deutlich etwas unter dem Haar hervor, es könnte ein Perlohrring sein. Links dagegen sieht man nichts, obwohl die Haare auf beiden Seiten des Gesichtes gleich lang sind.
»Möglich, dass sie nur einen trägt«, sagt er.
»Kaum, das machen die Jungen und dann tragen sie etwas Auffälligeres als einen
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