Nachsuche
sein.
Pauli liebt seine Eltern. Er trägt nicht leicht an seiner Lüge, aber aus Angst, die Nachmittage mit Bayj aufs Spiel zu setzen, wagt er es nicht, mit der Wahrheit herauszurücken. Er wollte nicht lügen und weiß jetzt nicht, wie er die Sache wieder in Ordnung bringen soll.
Da sich keine Gelegenheit bietet, geht er schon bei der ersten Aufforderung seiner Mutter ins Bett, was eher selten vorkommt. Bevor er das Licht löscht, wünschen ihm seine Eltern wie immer eine gute Nacht.
Als er noch klein war, hatten sie ihm, wann immer es ging, gemeinsam das Schlaflied gesungen. Später mussten sie ihm endlos vorlesen. Nun ist er zu groß für solche Sachen. So küsst Meret ihn auf die Wange und Noldi steckt die Decke hinter seinem Rücken fürsorglich fest.
»Das dürfen wir vermutlich auch nicht mehr lange«, sagt er düster, als er und Meret ebenfalls im Bett sind.
Meret kichert.
»Warte nur, es kommt noch so weit, dass er uns vorliest.«
Sie weiß, wovon sie redet. Als Noldi mit dem Kegelklub für ein Wochenende auf Vereinsreise in Wien war, hat Pauli bereits versucht, sich in ihr Bett zu schmuggeln, indem er erklärte, jetzt, da er es könne, wolle er ihr vorlesen.
Dann wird sie wieder ernst. »Wir müssen uns etwas einfallen lassen«, sagt sie. »So geht es mit ihm nicht weiter. Alle in der Schule sind sich einig, dass er nicht dumm ist, aber er bringt schlechte Noten nach Hause.«
»In Geografie, Chemie und Physik ist er gut«, wirft Noldi ein.
»Ja«, sagt Meret, »in der letzten Geografiestunde hat er die Lehrerin mit einer Frage blamiert, die sie nicht beantworten konnte.«
»Und jetzt ist sie sauer auf ihn«, ergänzt Noldi.
»Klar«, sagt Meret, »wärst du auch, wenn man dich so erwischt.«
Sie schweigen eine Weile. Dann fängt Meret wieder an: »Pass auf, bald kommt er in den Stimmbruch. Weißt du noch, wie das damals für dich war?«
»Mein Gott«, sagt Noldi, »erinnere mich nicht daran. Der Nachbarsbub und ich haben durch alle Schlüssellöcher geschaut. Wir wollten unbedingt eine nackte Frau sehen.«
»Das hat Pauli nicht nötig«, stellt Meret trocken fest. »Nackte Frauen sieht heute jedes Kind. Du zum Glück auch nicht mehr«, fügt sie hinzu und reibt ihre nackte Brust wohlig an Noldis Arm.
Ihr Mann fasst das nur zu gern als Einladung auf und will sich sofort den schöneren Dingen des Lebens zuwenden. Da erkundigt sich Meret: »Und wie geht es deiner nackten Dame aus dem Wald?«
»Tu nicht so, als würde dich das jetzt wirklich interessieren, du Heuchlerin«, sagt er und beißt sie genüsslich in den Hals.
5. Buddha mit Brüsten
Der Obduktionsbefund und der Bericht der Spurensicherung treffen bei der Polizei in Winterthur ein. Hans Beer berichtet an der nächsten Teamsitzung, die Tote sei circa 42 Jahre alt, 1.59 groß mit mausbraunem, eher dünnem Haar, 67 Kilo schwer, habe nie geboren und nie abgetrieben. Sie sei weder vergewaltigt noch gefoltert worden, habe auch keinen Geschlechtsverkehr vor ihrem Tod gehabt.
»Wahrscheinlich hat er sie vorher umgebracht«, spekuliert Oskar Kohler, den Noldi nicht leiden kann.
»An ihrem Körper«, fährt Beer fort, ohne den Einwurf zu beachten, »wurden keine Spuren von Gewalteinwirkung festgestellt. Mageninhalt: Pizza, Kaffee, Schokoladentorte und eine beachtliche Menge Prosecco. Ihre Zähne sind in gutem Zustand. Sie hat einige Porzellanfüllungen und noch eine alte Amalgamfüllung in einem Stockzahn links unten. Der Zahn daneben ist überkront.«
»Also hat sie einen Zahnarzt«, konstatiert Noldi.
»Wenn sie nicht zur Zahnbehandlung nach Deutschland gefahren ist, wie das heute üblich ist«, gibt Markus zu bedenken.
Hans Beer entscheidet, dass man zunächst nur die Zahnärzte in der Umgebung kontaktiert. Sollte diese Suche ergebnislos bleiben, könnte man sie immer noch ausweiten.
»Der Fundort«, sagt Beer, »ist nicht identisch mit dem Tatort. Wenn sie überhaupt getötet wurde. Sie war zuckerkrank und spritzte offenbar regelmäßig Insulin.«
»Und da hat sie Schokoladetorte gegessen und Prosecco getrunken?«, fragt Franz Notter fassungslos.
»Vielleicht musste sie deshalb noch einmal spritzen und hat zu viel erwischt.«
»Heute hat man einen Pen. Da erwischt man nicht so leicht zu viel.«
»Schau, schau, Notter, du bist ja gut informiert«, zündet Kohler den Kollegen an.
Beer übergeht den Einwurf.
»Stimmt«, sagt er. »Wenn sie aber betrunken war, hat sie vielleicht zu oft gedrückt.«
Dann referiert er weiter.
»Die
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