Nachsuche
Zeit mit Meret erinnert.
Er schenkte seiner Braut einen Verlobungsring mit einem dunkelblauen Saphir und kleinen Brillanten rundherum. Es war kein besonders teures Stück, aber Meret war verrückt danach. Im Übrigen hatten sie für solche Nebensächlichkeiten wenig Zeit. Sie waren viel zu sehr miteinander beschäftigt. Sie wollten keine lange Verlobungszeit. Wenn es nach ihnen gegangen wäre, hätten sie so schnell wie möglich geheiratet, nur sie zwei, und wären nach der Trauung Hand in Hand abmarschiert, irgendwohin, wo sie allein sein konnten. Aber da hatten sie die Rechnung ohne die Brauteltern gemacht. Merets Vater wollte eine große Hochzeit. Nachdem er die Enttäuschung überwunden hatte, dass auch seine jüngere Tochter ihn verlassen würde, schloss er den zukünftigen Schwiegersohn ohne Vorbehalt ins Herz. Er bestand auf einer Hochzeit in Marthalen.
Als ihm der Herr Bahnhofsvorstand seine Tochter in der Kirche zuführte, ging Noldi das Herz vor Zärtlichkeit über.
Meret war eine verwegene Braut. Sie hatte es sich in den Kopf gesetzt, das Brautkleid ihrer Mutter zu tragen. Der Vater hätte ihr noch so gern einen teuren Traum in Weiß gekauft, aber die Mutter war gerührt, dass ihr altes Kleid, durch all die Ehejahre sorgsam aufbewahrt, noch einmal zu Ehren kam. Es war Meret um ein, zwei Zentimeter zu kurz, vielleicht auch eine Spur zu eng, und die altmodische Brautkrone saß ganz leicht schief, weil sie sich in den widerspenstigen Locken nur schwer befestigen ließ. Der Bräutigam dagegen steckte in einem tadellosen dunkelblauen Anzug, der schwach nach Mottenkugeln roch.
So tauschten sie die Ringe, und dann durfte Noldi die Braut küssen, hob sie in einem Anfall von Übermut hoch und wirbelte sie herum. Mitten in der Kirche. Er hörte unterdrücktes Gelächter, als der Pfarrer zur Seite springen musste, und sah Merets hochrote Wangen. Auch sie lachte und ihre Augen blitzten, als sie den Brautschleier wieder zurechtrückte.
In der ersten Zeit ihrer Ehe konnten sie nicht genug voneinander bekommen. Daran änderte sich auch nichts, als Meret schwanger wurde. Sie hatte kaum Beschwerden und kam ohne Schwierigkeiten nieder.
Noldi erinnert sich an die Geburt ihres ersten Kindes. Die Wehen setzten an einem Sonntagnachmittag ein. Gegen Abend fuhr er mit seiner Frau nach Winterthur ins Krankenhaus. Dort sagten sie, das Kind käme nicht vor dem nächsten Tag. Sie wollten Noldi wieder nach Hause schicken. Doch er weigerte sich. In der Nacht davor hatte er geträumt, die Geburt zu verpassen, weil er daheim im Bett lag. So verfrachteten sie ihn auf eine Notschlafstelle neben Merets Bett. Die Wehen wurden bald heftiger, und als die Hebamme zur Kontrolle kam, hatte die Geburt schon eingesetzt. Meret konnte fast nicht mehr gehen. Sie mussten sie regelrecht in den Kreissaal schleifen. Dann platzte die Fruchtblase genau im richtigen Moment, Meret hatte zwei Presswehen, schrie auf, fast ungeduldig, und das Kind war da.
Noldi schnappte es in seiner grenzenlosen Begeisterung der Hebamme aus den Händen, hielt es seiner Frau entgegen. Cool, wie er meinte, verkündete er: »Frau Oberholzer, wir haben eine funkelnagelneue Tochter.« Dabei tropften ihm die Tränen von der Nasenspitze.
Da diese Schwangerschaft so unkompliziert gewesen war, dachten Noldi und Meret sich nichts dabei, als sie sehr bald nach der Geburt schon wieder guter Hoffnung war.
Diesmal kam alles anders. Das Kind entwickelte sich zwar normal, für Meret waren jedoch vor allem die ersten Monate fast unerträglich. Ihre Energie reichte kaum, um ihr Erstgeborenes zu versorgen. Noldi ertrug sie nicht. Er war wie vor den Kopf gestoßen. Seine Meret wollte nichts von ihm wissen. Er schlich mit hängenden Schultern um sie herum und wagte es kaum, abends im Bett ihre Hand zu halten.
Nicht einmal Meret erwartete den Geburtstermin so ungeduldig wie er. Das Kind kam dann schon im achten Monat. Doch damit fing das Elend erst an. Diesmal war es ein Junge, ein winziges, krebsrotes Etwas voller Runzeln. Aber Noldi drehte wieder fast durch vor Glück und Stolz. Er hatte einen Sohn. Der Säugling war zu klein, zu schwach, er schrie viel. Da er die Nahrung nicht behalten konnte, musste er alle zwei Stunden gestillt werden und erbrach meist alles wieder. Meret kam Tag und Nacht nicht zur Ruhe. Sie fiel vom Fleisch, wurde apathisch.
In seinem Unglück führte Noldi sich auf wie ein geprügelter Hund. Meret bemerkte es kaum. Sie stillte den Jungen, versorgte die Tochter
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