Nachsuche
einer Woche nahm sie seinen Antrag mit einer Bedingung an, dass sie den Salon noch eine Weile weiterbetreiben müsse.
Davon wollte er nichts wissen. Er wollte sie für sich und nur für sich haben.
»Tut mir leid«, sagte sie, »ich habe Schulden.«
»Spinnst du?«, sagte er. »Du kannst mir die Buchhaltung führen und kriegst dafür einen Lohn, einen anständigen übrigens.«
Ein Monat später heirateten sie. Corinna trug ein weißes Kleid und einen Schleier.
Sie zeigt Noldi ein Foto von der Hochzeit, das sie in der Geldbörse trägt.
»Sie sind eine wunderschöne Braut«, sagt Noldi bewundernd.
»Kevin hat ein gutes Herz«, fährt Corinna fort, »weich wie Butter. Aber er bildet sich ein, der grösste Macho auf der Welt zu sein. Wenn er erführe, dass ich früher ein Mann war, wäre für ihn alles aus. Das könnte er nicht verkraften. Zuerst würde er es nicht glauben. Aber dann, ich weiss nicht, was dann passiert.«
»Und er hat wirklich keine Ahnung?«, fragt Noldi.
»Nein«, antwortet Corinna. Und nach einer Pause sagt sie: »Bitte, machen Sie das nicht kaputt.«
»Nein«, verspricht Noldi, »wenn ich nicht muss, bestimmt nicht.«
Corinna lächelt, sieht ihn zwischen Zuversicht und Resignation schwankend an, als ahne sie schon, dass alles umsonst sein würde.
Noldi, durchaus nicht unberührt von ihrem Lächeln, greift nach ihrem Unterarm, der auf dem Tisch liegt. »Danke, dass Sie mir das alles erzählt haben.«
»Ach«, sagt sie, »ich würde es jedem erzählen. Ich finde, es ist eine schöne Geschichte. Sie können sich gar nicht vorstellen, wie großartig unsere Hochzeit war. Mir, sagt sie, ist es egal, ob die Leute über mich Bescheid wissen. Es geht einzig und allein um Kevin. Er darf es nicht erfahren. Niemals.«
»Aber Ihre Familie«, erkundigt sich Noldi, »besteht da nicht die Gefahr, dass einer von ihnen sich einmal verschnappt?«
»Meine Mutter«, antwortet Corinna, »lebt mit Hugo auf Sardinien. Sie haben unser altes Haus verkauft und dort gebaut. Wenn sie in die Schweiz kommen, treffe ich meist nur sie allein. Und falls sich einer einmal wirklich verplappert, würde Kevin meinen, er habe nicht recht gehört. Er würde es nicht glauben, selbst wenn man es ihm ins Gesicht sagte. Aber ein Computertomogramm, verstehen Sie, das ist etwas anderes.«
Noldi versteht sie sehr gut und auch welche Gefahr das für sie bedeutet. Nachdenklich mustert er ihre großen kräftigen Hände, die vor ihm auf dem Tisch liegen.
»Wo waren Sie an diesem Dienstag, den 10.11.?«, fragt er.
»Im Fitnesstraining, das wissen Sie«, antwortet sie prompt.
»Und nachher?«
»Mit meiner Mutter im Zeughauskeller in Zürich. Sie war gerade wieder in der Schweiz. Zu einer ärztlichen Kontrolle, wenn es Sie interessiert.«
»Ja«, sagt Noldi, »mich interessiert alles. Ich muss einen Mord aufklären.«
»Ich weiß«, sagt sie. »Sie können meine Mutter gerne fragen.«
Klar, denkt Noldi, die würde alles sagen. Die würde für ihre Tochter tausend Meineide schwören, ohne rot zu werden.
Als hätte sie seine Gedanken gelesen, setzt Corinna hinzu: »Im Restaurant können sie sich sicher an uns erinnern. Wir sind vielleicht ein wenig laut geworden. Kevin weiß nichts davon. Ich habe Ihnen gesagt, dass ich meine Mutter lieber allein treffe. Genau aus den Gründen, von denen wir gesprochen haben. Deshalb habe ich Sie auch hier herbestellt. Ich wollte mit Ihnen allein reden.«
»Ihr Vertrauen ehrt mich«, bemerkt Noldi höflich, und deutet im Sitzen eine kleine ironische Verbeugung an.
»Aber ist es in Wahrheit nicht so, dass Kevin Sie zu mir schickt, weil er fürchtet, ich hätte ihn im Zusammenhang mit Bertis Tod im Verdacht?«
Wie er anerkennend feststellt, fällt sie nicht gut gespielt aus allen Wolken, sondern fragt nur: »Und, haben Sie?«
»Und«, kontert er, »sollen Sie mir nicht weismachen, was für ein Lieber und Guter Ihr Kevin ist, der keiner Fliege etwas zuleide tun kann?«
»Nein«, sagt sie. »Das würde mir bei Ihnen wenig nützen. Ihr Verdacht ist trotzdem falsch. Wenn es um den Nachmittag des 10.11. geht, hat Kevin ein Alibi.«
»So«, sagt Noldi, »das ist neu. Mir hat Ihr Mann erzählt, er sei in Zürich gewesen, um ein Weihnachtsgeschenk für Sie zu kaufen. Leider stand auf der Rechnung, die er mir gezeigt hat, ein falsches Datum. Er hat sich um eine Woche geirrt. Er wollte mir einreden, das sei ein Versehen des Geschäfts.«
»Einkaufen war er nicht«, sagt Corinna. »Das stimmt. Aber ich
Weitere Kostenlose Bücher