Nachsuche
kann beweisen, dass er den ganzen Nachmittag und Abend zu Hause war.«
»Wie das? Sie waren doch im Fitness.«
»Ja, aber er hat die Monatsabrechnung rausgelassen.«
»Anfang des Monats?«, fragt Noldi ungläubig.
»Er hat die Oktober-Abrechnung dazu genommen. Das ist für Kevin eine komplizierte Angelegenheit. Er hat es nicht so mit den Computern. Das können Sie auch daran sehen, wie oft er es probiert hat. Aus den Ausdrucken sieht man, dass er den ganzen Nachmittag daran herumprobiert hat. Er wollte wissen, wie die Bilanz ausschaut, denn er steht vor einer großen Anschaffung. In diesen Dingen ist Kevin ganz gewissenhaft. Er riskiert nie etwas. Deshalb wollte er sicher sein, dass er sich finanziell nicht übernimmt.«
»Und?«, fragt Noldi, verständnislos. »Das soll ein Alibi sein?«
»Ja«, sagt sie triumphierend. »Datum und Uhrzeit kann man in diesem Programm nur als Administrator einstellen. Davon hat Kevin keine Ahnung. Er kennt nicht einmal den Code.«
Endlich ist Noldi so weit, dass er sich Frau Rüdisühli vornehmen will. Er trifft sie beim Kochen. Sie trägt eine gemusterte Schürze und sieht ein wenig zerzaust aus. Es ist morgens um zehn. Als sie ihn erkennt, weiten sich ihre Augen für einen Moment.
Schnell sagt er: »Frau Rüdisühli, wir kennen uns. Sie erinnern sich an das Schießen in Rikon, das Sie so souverän gewonnen haben.«
»Ah ja«, sagt sie und ihr Gesicht hellt sich auf.
»Und jetzt, was wollen Sie? Bekomme ich von Ihnen einen Extrapreis?«
Noldi lächelt gewinnend und zieht seinen Ausweis.
»Ich bin von der Kantonspolizei Winterthur und untersuche einen ungeklärten Todesfall. Kann ich hereinkommen? Nur zwei Fragen. Es dauert nicht lange.«
Sie führt ihn in die Küche, wo zwei Töpfe und eine Pfanne auf dem Herd stehen und im Übrigen eine beachtliche Unordnung herrscht. Gemüseabfälle liegen in der Spüle, schmutziges Frühstücksgeschirr steht herum, die Tischplatte zeigt unzählige eingetrocknete braune Ringe und ein Aschenbecher quillt über.
Komisch, denkt Noldi, so wie sie schießt, hätte er gedacht, sie sei eine eher pedantische Person. Außerdem wundert er sich, dass sie jetzt schon am Herd steht. Meret macht sich kaum jemals vor elf ans Kochen.
»Was gibt es Gutes?«, fragt er, um Schönwetter bemüht.
»Sind Sie zum Mittagessen gekommen?«, erkundigt sie sich spitz.
»Nein«, sagt er. »Wäre ein wenig früh.«
»Warum dann?«
»Reine Routine«, schickt er voraus. »Können Sie bestätigen, dass Ihr Mann Dienstag, den 10.11. nachmittags zu Hause war?«
»Warum wollen Sie das wissen?«, fragt sie misstrauisch.
Noldi überlegt blitzschnell. Soll er mit irgendeiner Ausrede kommen oder ihr die Wahrheit sagen? Er entscheidet sich für etwas dazwischen. Er betont noch einmal, dass es sich um eine Routinekontrolle handelt. Dann sagt er: »Da ist dieser ungeklärte Todesfall. Sie haben sicher in der Zeitung davon gelesen.«
Ihre Stimme klingt neutral, als sie sich erkundigt: »Und was hat mein Mann damit zu tun?«
»Er könnte möglicherweise ein Zeuge sein.«
Jetzt ändert sich ihr Gesichtsausdruck, er wird vorsichtig, fast lauernd.
Einen Augenblick ist es still, dann sagt sie: »Keine Ahnung, wo er war.«
»Frau Rüdisühli«, beginnt Noldi, »denken Sie bitte nach. Es ist wichtig. War Ihr Mann Dienstag, 10.11. am Nachmittag zu Hause? Hier? Mit Ihnen?«
Sie schaut ihn an, zuerst neugierig, dann mit einem schlauen Blick, der ihm nicht gefällt.
Die, denkt er, wird jetzt gleich lügen, um ihrem Mann eins auszuwischen. Was aber bedeuten würde, dass sie nicht weiß, worum es geht.
Und schon öffnet Ottilia ihren schönen Mund und sagt ganz sanft: »Habe keine Ahnung, wo er war.«
»Gut«, erwidert Noldi resigniert. »Wenn Sie es so genau wissen, ohne nachzudenken.« Dann fragt er unvermittelt: »Kennen Sie eine Berti Walter?«
»Wer soll das sein?«, fragt sie zurück. »Ist sie der ungeklärte Todesfall? War es Mord?«
»Viele Fragen auf einmal«, sagt Noldi, »aber zuerst bin ich dran. Also, kennen Sie eine Berti Walter?«
»Nein«, sagt Ottilia, »nie gehört, den Namen.«
»Und Sie haben diese Frau nie gesehen?« Er hält ihr das Foto der Toten hin.
»Nein, nie.«
Dann sagt sie spitz: »Ich habe gedacht, er habe ein Reh angefahren. Wieso geht es jetzt um die Frau?«
»Der Unfall mit dem Reh war erst drei Tage später«, erklärt Noldi geduldig.
Dann fällt ihm etwas ein.
»Frau Rüdisühli, denken Sie noch einmal nach. Vielleicht haben Sie
Weitere Kostenlose Bücher