Nachsuche
bleibt es still. Noldi kann nur hören, wie Ottilia sich schwer auf einen Stuhl fallen lässt. Monatelang hat sie der Verdacht gequält, dass ihr Mann schon wieder eine andere hätte. Aber jetzt, wo sie erfährt, dass sie ihn zu Recht beschuldigt hat, reißt ihr die Tatsache den Boden unter den Füßen weg.
Sie sagt nichts mehr und auch Noldi schweigt. Dann ist die Leitung plötzlich tot.
Er wählt noch einmal, lässt es lange läuten, aber niemand meldet sich. Darauf ruft er Rüdisühli an und berichtet ihm, was Ilse Biber ausgesagt hat.
Rüdisühli hört ihm zu und erklärt dann ärgerlich: »Das stimmt nicht. Niemals. Ich würde sie niemals an ihrem Arbeitsplatz treffen. Damit mich dort womöglich einer sieht. Nein, nein, ich war zu Hause. Egal, was meine Frau behauptet. Sie ist einfach nicht gut auf mich zu sprechen.«
»Das wird sicher jetzt nicht besser«, sagt Noldi. »Sie weiß jetzt, dass Sie schon wieder eine neue Freundin haben.«
»Du lieber Himmel«, sagt Rüdisühli seltsam heiter. »Da wird es am besten sein, ich bleibe diese Nacht im Löwen.«
»Warum nicht bei Ihrer Freundin?«, fragt Noldi verdutzt.
»Oh nein«, antwortet der andere. »Viel zu anstrengend. Mir wächst das alles langsam über den Kopf. Vielleicht liebe ich meine Frau immer noch. Vielleicht werde ich auch nur alt.«
»Ilse Biber hat erwähnt, Berti Walter hätte Ihnen nachspioniert. Stimmt das?«, fragt Noldi.
»Ja«, antwortet Rüdisühli. »Sie war eine unangenehme Person. Sie hat mich mit Corinna Pfähler im Café des Einkaufszentrums in Volketswil erwischt und sofort geglaubt, ich hätte etwas mit ihr. Mir kam es gerade recht, dass sie auf dem Holzweg war, verstehen Sie. Wegen ihrer Freundin, Ilse. Sie war es, wegen der ich mit Berti Schluss gemacht habe.«
»Und Berti hat nie Verdacht geschöpft?«
»Ich glaube nicht. Ilse hat nie etwas erwähnt.«
»Wissen Sie noch, wann das Treffen in Volketswil war?«
»Warten Sie, das finde ich heraus.«
Rüdisühli zückt seine Agenda, blättert, dann sagt er: »Genau, in Volketswil war ich am zweiten und dritten November.«
Da hatte Berti gerade noch eine Woche zu leben, denkt Noldi.
Dass Ottilia am Telefon nicht antwortet, lässt Noldi keine Ruhe. Er versucht es mit unterdrückter Nummer, damit sie nicht sieht, wer anruft. Wieder vergebens. Dann meldet er sich noch einmal bei Rüdisühli.
»Ihre Frau geht nicht ans Telefon«, sagt er. »Mich beunruhigt das. Glauben Sie, sie tut sich etwas an, jetzt, wo sie weiß, dass Sie sie schon wieder betrügen?«
Rüdisühli überlegt einen Moment. Dann sagt er: »Nein, das glaube ich nicht. Warum sollte sie? Jetzt hat sie in unserer Ehe endgültig Oberwasser. Das wird sie sich nicht entgehen lassen.«
Damit verabschiedet er sich von Noldi und legt auf.
In Wirklichkeit ist ihm mulmig zu Mut. Er fragt sich, was für ein Spiel Ilse Biber spielt. Manchmal ist sie ihm nicht ganz geheuer. Wie sie ihn anschaut mit diesem Funkeln in den Augen. Vielleicht war die Verbindung zwischen den beiden Freundinnen doch enger als er gedacht hat. Berti hat ihm nachspioniert. Sie war eine Heimliche. Das hat er erst entdeckt, als es zu spät war. Wie sie da plötzlich im Café vor ihm stand, als er mit der schönen Corinna Pfähler etwas getrunken hat. Sie könnte Ilse Biber das eine oder andere gesteckt haben. Außerdem ist da noch seine Frau. Ist sie ihm trotz aller Vorsichtsmaßnahmen schon früher auf die Schliche gekommen? Die Frage ist nur, wie? Vielleicht hat Berti auch zu ihr Kontakt aufgenommen. Unmöglich, denkt er beklommen, ist es nicht.
Während Rüdisühli sich mit diesen trüben Gedanken herumschlägt, überlegt Noldi, ob er sich nicht ins Auto setzen und rasch nach Wil fahren soll. Nur um sicherzugehen, dass mit der Frau alles in Ordnung ist. Er will sich nicht nachher Vorwürfe machen müssen. Sie war sichtlich erschüttert, als er ihr gesagt hat, dass ihr Mann schon eine Neue hat. Und wenn sie die Nebenbuhlerin tatsächlich auf dem Gewissen hat? Dann muss es einen Komplizen geben. Wie wäre die Leiche sonst in den Wald gekommen?
Als er wieder einmal bei dieser Frage angelangt ist, rettet ihn der Architekt Martin Walter davor, etwas an die Wand zu werfen.
Er ruft an, sagt: »Meine Frau ist bei Verwandten in Manila. Und Sie wissen, wie das ist. In meinem Alter kommt man ins Sinnieren, wenn einen niemand auf Trab hält. Da ist mir etwas eingefallen. Ich habe in Winterthur gebaut. Für den Doktor Niederöst. Den kennen Sie bestimmt.
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