Nachsuche
die Daten verwechselt. In der Nacht vom Donnerstag den Zwölften auf Freitag den 13. war Ihr Mann tatsächlich unterwegs. Das wissen wir. Da ist die Sache mit dem Reh passiert. Aber uns interessiert der Nachmittag von Dienstag dem 10. War Ihr Mann da tatsächlich nicht zu Hause?«
Einen Moment wirkt sie unsicher, dann verhärten sich ihre Züge, ihr Mund wird zu einem dünnen Strich.
»Nein«, sagt sie, »er kam erst in der Nacht, als ich schon im Bett war. Die Frau? Ist sie umgebracht worden?«, fragt sie gleich darauf begierig.
Jetzt sagt Noldi: »Ja.«
Und ohne weitere Umschweife: »Ihr Mann hatte ein Verhältnis mit ihr.«
Wenn er gedacht hat, sie würde losschreien, hat er sich getäuscht.
»Das weiß ich«, sagt sie kühl, »aber das ist vorbei.«
»Klar«, meint Noldi, »die Frau ist tot.«
»Nein, schon vorher«, korrigiert sie ihn.
Sind Sie sicher?
»Er hat es mir geschworen.«
Und gleich darauf fragt sie mit heiserer Stimme: »Glauben Sie, mein Mann hat sie umgebracht?«
»Oder Sie«, sagt Noldi brutal.
»Ich? Ich kenne die Frau nicht.«
»Das sagen Sie, aber es muss deshalb noch lange nicht wahr sein. Sie haben kein Alibi, wenn Ihr Mann an dem Nachmittag nicht zu Hause war. Und Sie schießen gut.«
Ottilia zieht die Luft scharf ein.
»Mein Gott, sie ist erschossen worden. Dann war es ganz bestimmt nicht Eduard. Der kann nicht schießen.«
»Jeder Schweizer kann schießen«, sagt Noldi.
Da bricht sie in Tränen aus.
»Sie wissen nicht, wie das ist. Ständig betrogen zu werden.«
»Nein«, sagt Noldi, »das weiß ich nicht.«
Und geht.
Abends im Bett sagt er gedankenverloren zu seiner Frau: »Sie gibt ihrem Mann kein Alibi, aber ich bin sicher, sie lügt.«
»Ottilia?«, fragt Meret.
»Ja«, antwortet Noldi. »Da bin ich auch wieder angebrannt. Weder er noch sie haben ein Alibi. Es ist zum Verzweifeln.«
»Du Armer«, sagt Meret mitfühlend. Eine Weile liegt sie schweigend neben ihm.
Dann meint sie zögernd: »Und wenn du die Freundin fragst?«
»Die deckt ihn, das ist klar. Und auch sie lügt wie gedruckt.«
»Du kannst ja vorher im Spital anrufen. Vielleicht hat sie an dem Tag Dienst gehabt.«
»Was nützt mir das?«, fragt Noldi wenig begeistert. »Dann hat eventuell sie ein Alibi, aber mit dem Rüdisühli komme ich so nicht weiter.«
»Vielleicht doch«, widerspricht seine Frau. »Wenn sie ihm ein Alibi gibt, kannst du damit zu Ottilia gehen. Dann ist nämlich ihr Mann aus dem Schneider, aber sie nicht.«
Noldi überlegt: Ich könnte ihr sagen, sie habe die Falsche erwischt. Ihr Eduard hätte längst eine Neue. Und bei der war er an dem bewussten Nachmittag.«
Noldi findet Merets Vorschlag gut und er hält sich daran. Er erkundigt sich am nächsten Morgen gleich nach dem Arbeitsplan des Spitals und hat Glück. Ilse Biber war am 10.11. Nachmittag tatsächlich im Dienst. Er lässt sich die Unterlagen zur Sicherheit sogar faxen. Dann ruft er die Frau selbst an. Er erklärt ihr, worum es geht und, wie erwartet, ist sie sofort bereit auszusagen, dass sie an dem besagten Nachmittag mit Rüdisühli beisammen war.
»Frau Biber«, sagt Noldi, »Sie werden diese Aussage beschwören müssen.«
»Selbstverständlich«, antwortet sie.
Eigentlich hat Noldi nichts anderes erwartet. Trotzdem versucht er es noch einmal: »Bevor Sie einen Meineid leisten, sollen Sie wissen, ich habe Ihren Arbeitsplan aus der Klinik vor mir auf dem Tisch.«
Es bleibt eine Sekunde still, dann sagt sie: »Ja, ich weiß. Ich habe mich davongeschlichen. Ich musste Eduard unbedingt sehen.«
»Aber doch nicht den ganzen Nachmittag«, erkundigt sich Noldi.
»Nein, nein«, versichert sie darauf. »Ich hatte Pause und bin ein wenig früher weg. War nicht viel los an dem Tag.«
»Und wo haben Sie Rüdisühli getroffen?«
»Wir sind in seinem Auto gesessen.«
»Hat Sie jemand gesehen?«
»Wo denken Sie hin. Da ist Werner, nein, Eduard viel zu vorsichtig.«
Du lieber Himmel, denkt Noldi, das alles könnte sogar stimmen. Bleibt dann noch genügend Zeit, nach Weesen zu fahren und Berti im richtigen Moment umzubringen?
Er bestellt Ilse Biber nach Turbenthal auf den Polizeiposten, damit sie das Protokoll unterschreibt. Dann ruft er Ottilia an.
»Frau Rüdisühli«, sagt er, »Sie haben die falsche Frau erwischt. Ihr Mann hat längst eine neue Geliebte. Bei ihr war er tatsächlich an dem Nachmittag. Damit hat er ein Alibi, und Sie haben keines. Schaut schlecht aus für Sie.«
Am anderen Ende der Leitung
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