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Nacht

Nacht

Titel: Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elena Melodia
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miteinander zu sein. Wer ist sie bloß? Was machen sie dort? Ist Morgan ihretwegen in den letzten Tagen nicht in der Schule gewesen? Warum?
    Ich komme mir dumm vor, weil ich mir eingebildet habe, dass Morgan sich nur um mich sorgt. Dass er ständig über mich wacht, wie unten am Hafen, bereit, mich zu beschützen.
    Von jetzt an werde ich allein zurechtkommen, ohne Hilfe von irgendjemandem.
    Schon gar nicht von ihm.

[home]
    Kapitel 51
    D
raußen herrscht Dunkelheit, eine totale Dunkelheit, aus der es kein Entrinnen gibt. Es scheint kein Mond, es scheinen keine Sterne. Es gibt nichts um die alte Turnhalle herum, das ein Loch in die Finsternis bohren könnte.
    In der Ferne erinnert eine Leuchtschrift in Form eines Hs daran, dass Hoffnung manchmal nicht genug ist.
    Drinnen in der Halle widersetzt sich ein schwaches Licht dem Ansturm der Dunkelheit. Ein paar Töne zerreißen die dichte, bedrückende Stille. Sie stammen von einer Gitarre. Jemand spielt. Er beginnt mit einer langsamen Melodie, geht dann zu einem schnelleren Rhythmus über, der hin und wieder in einem entfesselten Riff explodiert.
    Mehr als eine Stilübung scheint sein Spiel eine Suche nach etwas zu sein, nach einem Klang, der einem wachsenden Unbehagen entspricht, zu groß, um es in sich hineinzufressen.
    Der Gitarrist sitzt auf einem alten, durchgesessenen Sofa. In Jeans und Sweatjacke, die Kapuze über dem Kopf, hält er seine E-Gitarre im Arm und bearbeitet sie beinahe wütend. Der Gitarrenkoffer liegt offen wie ein Sarg zu Füßen des Sofas. Sein Futter aus rotem Samt bildet eine Insel der Eleganz inmitten der Möbel aus vierter Hand, die in einer kleinen Ecke der Halle aufgestellt sind. Ein paar mit handgeschriebenen Noten vollgekritzelte Notenblätter warten darauf, von dem grauen Linoleumboden, der mit Kippen von selbstgedrehten Zigaretten übersät ist, aufgehoben zu werden.
    Einige leere Bierflaschen sind bis zu einem kleinen Mülleimer gerollt, aus dem ein Papierwust hervorquillt. Ein ausrangiertes Volleyballnetz wurde zu einer Hängematte umfunktioniert, die von einem Eisenträger an der Decke herabschwingt, zusammen mit ein paar umeinandergewickelten Tauen, eine ruhende Riesenschlange. Die großen, weit oben sitzenden Fenster sind an den Stellen, wo Steine das Glas zerschmettert haben, mit Klebebandstreifen ausgebessert.
    Die Gitarre spielt ununterbrochen und übertönt jedes andere Geräusch im Umkreis von hundert Metern. Übertönt das Gehupe der rasenden Autos auf dem Autobahnring ein Stück weiter nördlich, übertönt das Gebell einer Meute herrenloser Hunde, die auf der Suche nach Nahrung durch die Nacht streift, übertönt das Quietschen vom Türgriff der Hintertür, die in einen schmalen Flur vor den Umkleideräumen führt. Das ist der einzige benutzbare Eingang. Jemand ist gerade dort hereingekommen.
    Die Töne sausen durch die Luft und hallen in irrem Sound von den Wänden, den Fenstern, den Gegenständen wider. Ein Solo folgt auf das nächste und verschluckt alles andere. Auch die Schritte der Gestalt, die gerade in die Halle eingedrungen ist. Sie nähert sich langsam im Dunkeln. Es ist ein Voranschreiten ohne Eile, das auf große Gewissheit schließen lässt. Die Gewissheit, rechtzeitig zu kommen.
    Der Musiker ist zu sehr in sein Spiel vertieft, um zu bemerken, dass er nicht mehr allein ist. Zu sehr auf seine Noten konzentriert, die es zu neuen Harmonien zu komponieren gilt, um auf den langen, schmalen Gegenstand aufmerksam zu werden, der vor der Tür zwischen der Halle und dem Flur aufblitzt. Er hört nicht auf zu spielen. Dann lässt ihn plötzlich ein lauter, in den Ohren schmerzender Krach erstarren: eine Verzerrung in einer der Verstärkerboxen.
    In diesem Moment sieht er die Gestalt, die regungslos auf der Schwelle verharrt wie die Statue eines Todesengels.

[home]
    Kapitel 52
    I ch fahre aus dem Schlaf hoch, zitternd vor Angst. Es fällt mir schwer, die Erinnerungen an den neuesten Alptraum zusammenzufügen.
    Tastend suche ich nach dem Schalter der Nachttischlampe, als mir jemand zuvorkommt und mich durch das Licht der Deckenlampe blendet.
    »Alma, wach auf.«
    Es ist Jenna, die in mein Zimmer eingedrungen ist.
    »Was … was ist los?«
    Ich stehe unter Schock, weiß nicht, ob ich noch träume. Und habe stechende Kopfschmerzen.
    »Ich brauche deine Hilfe. Ich muss wegen einem Notfall kurz ins Krankenhaus und kann Lina jetzt nicht zur Schule bringen. Kannst du das machen?«
    Mein Gott, es ist also schon Morgen. Ich nuschele

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