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Nacht

Nacht

Titel: Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elena Melodia
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nach dem anderen, wobei ich die Mädchen und Jungen im Auge behalte, die durch das Tor gehen.
    Aber beides gleichzeitig gelingt nicht. Also klappe ich das Heft wieder zu, stecke es zurück in den Rucksack und lehne mich an die Mauer hinter mir. Mir fehlt die Kraft, mich in Richtung Schulgebäude zu bewegen.
    Ein Musiker in einer Turnhalle …
    Ich spüre, wie das Heft im Rucksack vibriert, als hätte es ein Eigenleben. Vielleicht ist es auch nur mein Herz, das mir vor lauter Angst bis zum Hals schlägt.
    Nach dem, was ich bisher gelesen habe, geschieht auch dieser Mord bei Nacht. Ich versuche, mich zu beruhigen. Zuerst muss ich herausbekommen, was Agatha da heimlich treibt und ob sie in irgendeiner Weise in all das verwickelt ist.
    Endlich erkenne ich ihr Gesicht zwischen denen, die auf den Schuleingang zumarschieren. Sie geht schnell, wie immer, hat die Hände in den Taschen und sieht niemanden an, als müsste sie sich gegen wen oder was auch immer verteidigen.
    Ich denke an die Unterhaltung mit der Nachbarin. Soll ich die Gelegenheit nutzen und zu dem Haus zurückkehren, um mit der alten Tante zu sprechen?
    »Hallo«, sagt plötzlich jemand neben mir.
    Ich mache einen Satz zur Seite.
    »Hey, Morgan, hast du mich erschreckt!«
    »Tut mir leid, war keine Absicht.«
    »Ist ja nicht deine Schuld. In letzter Zeit bin ich ziemlich schreckhaft.«
    »Das habe ich gemerkt. Ist alles in Ordnung?«
    »Ja, danke.«
    Ich möchte ihn anlächeln, ihn fragen, warum er so lange weg war, doch dann muss ich an sein Gespräch mit dem dunkelhaarigen Mädchen beim Park denken.
    »Hast du noch mal … Probleme gehabt?«
    »Mit Fremden, die mich nachts verfolgen? Nein, ich war auch nicht mehr bei Dunkelheit unterwegs. Außerdem … passt du nicht auf mich auf?«
    »Doch«, antwortet er zu meinem Erstaunen.
    »Und … bist du noch einem von diesen Typen mit Sonnenbrille und Hut begegnet?«
    »Du bist so komisch. Geht’s dir wirklich gut?«
    »Mir ging’s noch nie besser.«
    »Alma …«
    »Morgan, hör auf. Wenn du mit mir reden willst, rede. Ich habe genug von deinen mysteriösen Andeutungen.«
    »Und du? Was hast du hier hinter den Autos gemacht?«
    »Nichts Besonderes. Als ich die anderen gesehen habe, ist mir klargeworden, dass ich echt keine Lust habe, in die Schule zu gehen.«
    »Gute Idee. Wollen wir zusammen einen Spaziergang machen?«
    Zu Agathas Haus? Oh nein, Morgan. Das ist allein meine Angelegenheit.
    »Ich hatte eigentlich andere Pläne.«
    »Okay, kein Problem. Vielleicht ein andermal.«
    »Okay.«
    »Bis bald.«
    »Tschau.«
    Morgan geht auf die Schule zu, aber nach ein paar Schritten dreht er sich um.
    »Du hast doch noch meine Nummer, oder?«
    »Ja.«
    »Ruf mich an, wenn … du in Schwierigkeiten stecken solltest.«
    Ich kneife die Augen zusammen. Er setzt seinen Weg fort und verliert sich in der Schülermenge.

[home]
    Kapitel 53
    G lücklicherweise steht das kleine Kellerfenster noch offen.
    Vermutlich denkt Agatha nicht mal im Traum daran, dass jemand auf die Idee kommen könnte, sich heimlich in ihr Haus einzuschleichen, und hat deshalb die Fenster nicht kontrolliert. Der modrige Geruch ist noch stärker geworden und die Luft nebelig vom aufgewirbelten Staub.
    Auf den Stufen, die ins Hausinnere führen, finde ich die Lücken wieder, die ich beim ersten Mal freigeschoben hatte, um hinauf- und hinunterzusteigen. Es ist offensichtlich, dass seitdem niemand hier war.
    Ich erreiche den Türgriff. Drehe ihn langsam und öffne die Tür ohne Schwierigkeiten. Ich gehe durch den Flur bis zu der Treppe, die in den ersten Stock führt. Dort lausche ich auf ein Rascheln, ein Husten, irgendein Lebenszeichen. Aber nichts. Eine unwirkliche Stille herrscht zwischen diesen Wänden, als wären sie unbewohnt. Ich höre nur meinen Atem und meine gedämpften Schritte auf den Läufern, die den kalten Marmorfußboden bedecken. Als würde man durch ein Mausoleum gehen.
    Die Türen im Flur sind immer noch zu. Ich versuche, eine zu öffnen, doch der Griff lässt sich nur halb herunterdrücken, sie ist abgeschlossen. Ich probiere es noch bei einer anderen Tür, mit dem gleichen Ergebnis.
    Also gehe ich weiter bis zur Küche. Auf dem Tisch steht der Korb, den die Nachbarin gestern gebracht hat, unangerührt, noch mit dem gestreiften Tuch bedeckt. Ich hebe es an. Der Duft nach Zucchini und Majoran steigt von dem goldgelben und wolkenluftigen Auflauf auf.
    Ein Stück weiter daneben liegen diverse Spritzen, einige davon benutzt, andere noch

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