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Nacht

Nacht

Titel: Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elena Melodia
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Was will er? Mich erschrecken? Entführen? Umbringen?
    Ich laufe, so schnell ich kann. Die Schule ist nicht mehr weit. Ich muss sie erreichen und mich in Sicherheit bringen. Ich muss einfach.
    Tack, tack, tack.
    Die Schritte des Mannes kommen immer näher. Gleich hat er mich eingeholt. Ich muss schneller werden, treibe ich mich an, während mein Herz in der Brust zu explodieren droht.
    Endlich sehe ich sie. Noch nie fand ich den Eingang meiner Schule so einladend. Sie ist meine einzige Zuflucht. Wenn ich sie nur rechtzeitig erreiche …
    Die rote Ampel missachtend, renne ich über die Straße. Irgendwie habe ich das unangenehme Gefühl, dass es besser wäre, unter einem Auto zu enden als in den Händen dieses Verfolgers. Ich werfe mich zwischen die fahrenden Wagen. Hysterisches Gehupe, wütende Fahrer.
    Ich schaffe es zum anderen Bürgersteig und drehe mich noch ein letztes Mal um in der Hoffnung, dass der Mann aufgegeben hat. Hinter mir ist er nicht. Ich blicke nach allen Seiten.
    Dann sehe ich ihn. Erneut verschlägt es mir den Atem. Der Mann hat wenige Meter neben mir die Straße überquert und steht nun auf demselben Bürgersteig. Zum ersten Mal registriere ich, dass er eine Sonnenbrille trägt. Genau wie der andere mysteriöse Verfolger. Er steht still und sieht mich an, als wollte er sagen: »Ich kriege dich, wann immer ich will.«
    Einen Augenblick bin ich unschlüssig, ich zähle bis fünf und stürme dann auf das Schultor zu, das nur noch fünfzig Meter entfernt ist.
    Bloß weg hier, mit aller Kraft.
    Es ist mir egal, was er macht oder wie nahe er ist. Ich konzentriere mich ganz auf mein Ziel. Wie ein Blitz schieße ich durchs Tor und knalle sogleich gegen etwas oder jemanden. Etwas oder jemand hält mich auf.
    » NEIN !«, schreie ich.
    »Alma? Was ist denn los?«
    Ich sehe auf. Es ist Morgan. Morgan, der mich in den Armen hält. Bin ich froh, ihn zu sehen!
    Immer noch panisch, sehe ich mich um. Der Mann scheint verschwunden zu sein.
    »Alma?«
    »Jemand hat mich verfolgt.«
    »Bist du sicher?«
    »Ja … und es ist nicht das erste Mal.«
    Morgan geht hinaus auf die Straße. Schaut nach rechts, dann nach links. Schließlich kommt er zurück, mit einem so ernsten Ausdruck, dass er mich nicht gerade beruhigt.
    »Hast du gesehen, wer es war?«, fragt er.
    »Ein … Mann.« Ich keuche immer noch vom Rennen und kann kaum sprechen.
    »Wie sah er aus?«
    »Schwer zu sagen … groß, ganz dunkel angezogen.«
    »Du hast gesagt, es war nicht das erste Mal.«
    »Nein. Neulich ist mir ein anderer Mann bis zur Schule gefolgt.«
    »Nicht derselbe Mann.«
    »Nein.«
    »Sicher?«
    Ich nicke.
    »Und sie hatten nichts gemeinsam?«
    »Doch … sie trugen beide Handschuhe, einen Hut und eine Sonnenbrille. Und ich bin fast sicher, dass sie beide kahl waren unter ihrem Hut.«
    Er schweigt nachdenklich. »Verdammt!«, sagt er dann.
    »Hast du eine Idee, wer die sein könnten?«
    »Nein. Aber du musst sehr vorsichtig sein, Alma. Meide diese Männer unbedingt.«
    »Aber …«
    »Hör auf mich. Dunkle Kleidung, Handschuhe, Hut und Sonnenbrille. Und glatzköpfig. Jedes Mal, wenn du einen von denen siehst … hau ab. Jetzt geh in deine Klasse.«
    »Und wo gehst du hin?«
    Er antwortet nicht. Steuert auf das Tor zu.
    Ich bin zu erschöpft, um mir Gedanken darüber zu machen, was er vorhat.
    Jedes Mal, wenn du einen von denen siehst … hau ab.
    Von denen? Wer sind diese Männer? Stecken sie hinter den Morden, über die ich schreibe? Verfolgen sie mich deshalb? Weil sie wissen, dass ich in meinen Geschichten von ihnen spreche? Nein, das ist verrückt, ich verdränge die Theorie schnell. Wenn es so wäre, wäre ich nirgends mehr sicher.
    Ich gehe in Richtung meiner Klasse und hoffe, dass der Tag nicht noch mehr Überraschungen für mich bereithält.
     
    Naomi ist immer noch zu Hause.
    Abgesehen von ihrem Fehlen scheint alles normal zu sein: unaufmerksame Klassenkameraden, lustlose Lehrer, eine Schule aus Plastik. Doch gerade unter der Oberfläche dieser Alltäglichkeit geht das Gespenst meiner Ängste um.
    Jedes Mal, wenn du einen von denen siehst … hau ab.
    In der Pause spreche ich mit Agatha. Ihre Augen sind müde und gerötet. Sie scheint nicht viel Schlaf gekriegt zu haben.
    »Wie läuft’s mit deiner Tante?«
    »Besser, danke.«
    »Und du? Du siehst fertig aus …«
    »Ich habe bis spät noch gelernt.«
    »Für was denn? Es steht doch gar keine Klassenarbeit an.«
    »Ich bin dabei, mein Chemieprojekt zu Ende zu

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