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Nacht

Nacht

Titel: Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elena Melodia
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räume ein bisschen was zur Seite, dann können wir uns setzen.«
    Ich ziehe meine Jacke aus und helfe ihm, einige Papierstapel vor die Trennwand auf den Boden zu wuchten. Hier lagern bereits ein Drucker, einige Aktenordner, so voll wie dick belegte Sandwiches, sowie mehrere Kartons, auf denen mit rotem Filzstift Roths Name steht.
    Während wir versuchen, dieses primitive Chaos ein wenig zu lichten, werden wir von jemandem unterbrochen, der in Ermangelung von Türen einfach in der Öffnung zwischen zwei Paneelen auftaucht.
    »Roth, schickst du mir den Artikel über die Schlägerei von gestern?«
    Es ist Eva, die Kollegin aus der Bar, in der ich Roth kennengelernt habe. Als sie mich sieht, verstummt sie kurz und taxiert mich.
    »Ich wusste nicht, dass du Gesellschaft hast.«
    Es liegt eine Spur von Ironie in ihrem Ton, die mir nicht gefällt. Selbstsicher lehnt sie sich an die Trennwand und wartet auf eine Erklärung.
    »Hallo, ich bin Alma.«
    Meine Forschheit bringt sie kurz aus dem Konzept.
    »Und ich bin Eva.«
    Dann, als wäre ich Luft für sie, wendet sie sich wieder an Roth, der inzwischen unter dem Schreibtisch hervorgekommen ist.
    »Also, ich rechne mit diesem Artikel. Sobald du Zeit hast, natürlich.«
    »Ja, klar, ich schicke ihn dir gleich.«
    Eva dreht sich um und stolziert davon wie ein Model auf dem Laufsteg.
    »Ich glaube, jetzt können wir es wagen.« Roth setzt sein schönstes Lächeln auf oder was er dafür hält und bietet mir seinen Stuhl an.
    Ich tue ihm den Gefallen und setze mich, meinen Rucksack auf den Knien haltend. Aus einem Haufen Mäntel und weiteren Papierstapeln buddelt er einen zweiten Stuhl aus und zieht ihn neben mich.
    »Hast du den Text, an dem du gerade arbeitest, mitgebracht?«
    »Ja.«
    Ich hole das Heft, in dem ich die Abfolge der Ereignisse beschrieben habe, aus der Vordertasche des Rucksacks, und er beginnt zu lesen.
    Nach kurzer Zeit sieht er auf.
    »Du hast eine interessante Schrift.«
    Das hat mir noch niemand gesagt, aber wie allen Komplimenten messe ich dem keine große Bedeutung bei. Ich sehe die geschriebenen Worte und denke wieder an das violette Heft und meine Geschichten, daran, wie meine Schrift sich verändert, je nachdem, was ich schreibe. Hier ist sie runder und weiblicher, während sie in meinen Alptraumerzählungen schräg und eckig wird, der Strich so dick und fest aufgedrückt, als wollte ich die Sätze unwiderruflich ins Papier brennen.
    Ich spüre ein leichtes Stechen im Kopf, versuche es aber zu ignorieren. Ich muss ein paar Informationen aus Roth herausholen. Bestimmt weiß er einiges mehr.
    »Was hältst du davon? Von dem Text, meine ich?«
    »Das ist eine Zusammenfassung von dem, was in der Presse steht. Wenn du möchtest, helfe ich dir, an der Form zu feilen.«
    Ich beuge mich vor und sehe ihm in die Augen. »Also, ich finde, dass da noch ein paar mehr Details nötig wären, um das Ganze weniger banal zu machen, meinst du nicht?«
    »Alma, ich will dir gerne helfen, aber manche Informationen sind vertraulich …«
    »Eine gute Journalistin gibt nie ihre Quellen preis, oder?«
    Er lacht. »Du bist wohl schwer abzuwimmeln, wenn du dir was in den Kopf gesetzt hast, was?«
    »Ziemlich schwer, ja.«
    »Okay, hör zu«, sagt Roth mit gedämpfter Stimme, »ich weiß kaum mehr als du. Kommissar Sarl, der die Ermittlungen leitet, hat uns bisher nicht viel sagen können. Sie tappen im Dunkeln, aber über eines sind sie sich ziemlich sicher.«
    »Und zwar?«
    »Dass es sich nicht nur um einen Täter handelt. Offenbar zeigen die ersten Ergebnisse der kriminaltechnischen Untersuchungen das klar und deutlich.«
    Sarl hatte mir schon angedeutet, dass er von mehreren Mördern ausgeht. Dennoch läuft es mir kalt den Rücken herunter, als wären tausend winzige, glitschige Schlangen unter meinen Pullover gekrochen.
    »Alles in Ordnung?«
    »Jaja.«
    Soll ich ihm von den Sekten und von Tito erzählen? Nein, ich kann ihm noch nicht trauen.
    Auf Roths Schreibtischtelefon geht ein Anruf ein.
    »Ja? Ist gut, ich komme.«
    Er legt auf.
    »Alma, entschuldige bitte, aber ich muss weg. Leider wartet eine grässliche Redaktionssitzung auf mich.«
    »Um diese Zeit?«
    »Willkommen im harten Journalistenalltag. Ich hätte dich gern auf einen Happen zu essen eingeladen, aber …«
    »Nein, schon gut. Danke.«
    Sicher hätte ich noch mehr in Erfahrung bringen können, zu den Ergebnissen der Kriminaltechnik zum Beispiel, aber ich gebe mich fürs Erste zufrieden. Ich werde

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