Nacht aus Rauch und Nebel
dürfen!«
Ich öffnete den Mund, um etwas zu erwidern. Doch in diesem Moment fiel mein Blick auf eine zierliche Frau mit einer Gipsmaske, die am Fenster stand und dort scheinbar gedankenverloren das sich in der Ferne auftürmende Nichts betrachtete. Die Dame war also auch hier. Irgendwie beunruhigte mich der Gedanke, aber ich wusste nicht so recht, warum.
Noch immer sah mich Arif erwartungsvoll an. Ich zwang mich zu einem Lächeln. »Hallo«, sagte ich. »Ich, äh … bin nicht eingeladen oder so, aber …«, stammelte ich.
»Aber Hoheit, Sie sind natürlich immer eingeladen. Ich würde mir Sorgen machen, wenn Sie sich mein berühmtes Atelierfest entgehen lassen würden. Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?«
»Nein danke«, sagte ich. »Allerdings würde ich mich gerne mit Ihnen unterhalten.«
Arif hob seine wulstigen Augenbrauen. »Worüber denn?«
»Nun, mir sind gewisse Gerüchte zu Ohren gekommen und –« Ich biss mir auf die Lippe. Was sagte mir, dass ich diesem Mann trauen konnte? Ich musste vorsichtig sein, was ich preisgab.
»Gerüchte?«, fragte Arif und beugte sich zu mir vor. »Über mich?«
»Nein, nein, nicht über Sie. Es geht um … Sagen Sie, haben Sie je von einem Wesen gehört, das sich Mantikor nennt?«
»Ja, natürlich«, raunte Arif und versicherte sich mit einem Seitenblick, dass wir nicht belauscht wurden. »Es war ein seltsames Tier, das sich für die innere Stimme der Wandernden hielt.«
»War?«
»Er ist niemals von der Seite des alten Desiderius gewichen, auch nicht, als der sich vollkommen in seinen Prophezeiungen vergrub.«
Die Erwähnung von Prophezeiungen ließ meinen Mund trocken werden. »Dieser Desiderius hat also etwas geweissagt?«, fragte ich und tat so, als bewundere ich das Kleid einer älteren Dame, die ein paar Meter von uns entfernt stand.
»Aber ja! Kennen Sie etwa nicht die Zeile: Ein Stein und ein Mädchen, deren Seelen verbunden?«
»Nie gehört«, log ich. »Wie geht es denn weiter?«
»Keine Ahnung.« Arif leerte sein Glas mit einem einzigen Zug. »Er war zum Schluss nicht mehr ganz dicht, dieser Desiderius, hat von Löchern im Nichts geredet, in denen angeblich wieder Materie bestehen würde, und so einen Schwachsinn.«
»Verstehe.« Ich nickte und wollte ihn danach fragen, wo ich diesen Desiderius wohl finden könnte, doch in diesem Augenblick ertönte erneut die Stimme des Mantikors direkt neben meinem Ohr: »Gut! Und jetzt sollten wir mal zum eigentlichen Thema kommen: die Transportation.«
»Transportation?«, wisperte ich mit zusammengebissenen Zähnen. »Was soll das sein? Und warum erzählst du mir nicht einfach selbst, was du weißt? Anscheinend kennst du diesen Gelehrten ja sogar persönlich.«
»Ich bin der Mantikor. Ich greife niemals in das Geschehen in Eisenheim ein.« Die Stimme wurde zu einem Flüstern und verklang.
»Ach nein? Und was ist das hier?«
»Was denn?«, fragte Arif und musterte mich mit einem Stirnrunzeln. »Verzeihung, Hoheit, wie meinen?«
»Ich … äh … habe nur laut nachgedacht.« Ich zuckte mit den Achseln. »Wissen Sie, das ist ja alles sehr … interessant, aber das Gerücht, das mir zu Ohren gekommen ist … hat gar nichts mit diesem Prophezeiungskram zu tun … Wissen Sie, neulich war ich in der Philistergasse unterwegs und …«, stammelte ich und griff mir nun doch ein Sektglas von einem der Tabletts. Während ich trank, überlegte ich fieberhaft, was ich als Nächstes sagen sollte. Der herbe Geschmack legte sich an meinen Gaumen und ich verschluckte mich.
Unterdessen schenkte Arif mir einen triumphierenden Blick. »Aha, dann haben Sie also von meinen neusten Forschungen zur Transportation gehört? Und nun wollen Sie wissen, ob es stimmt, was man sich erzählt?«
»Richtig«, hustete ich.
Arif lehnte sich noch weiter vor und legte seine fleischigen Lippen an mein Ohr. »Es ist tatsächlich wahr!«, flüsterte er. »Noch ist meine Studie nicht abgeschlossen, aber bisher waren die Experimente erfolgreich: Es sieht ganz danach aus, als könne man Gegenstände aus der Realität nach Eisenheim transportieren, wenn man sie sich vor dem Einschlafen unter die Zunge legt! Stellen Sie sich das vor, Hoheit! Echte Kaffeebohnen, Gold, Mikrochips! Meine Erkenntnisse werden die Schattenwelt revolutionieren!«
»Oh, das … wäre wirklich fantastisch«, sagte ich, strich mir das Haar aus der Stirn und suchte den Raum nach dem Mantikor ab. Wollte mich dieses Wesen veräppeln?
»Vielleicht haben wir in Eisenheim
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