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Nacht aus Rauch und Nebel

Nacht aus Rauch und Nebel

Titel: Nacht aus Rauch und Nebel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ma2
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ihn für einen Moment aus den Augen, weil mir dunkel gefiederte Schwingen die Sicht nahmen. Dann krachten mächtige Hufe auf den Boden, die Wucht des Aufpralls ließ das Pflaster bersten. Zischend schnellte die Peitsche des Reiters nach vorn, doch Marian tauchte geschickt zur Seite weg. Ich presste mein Gesicht zwischen die Gitterstäbe.
    Reiter und Pferd wirbelten herum, wieder knallte die Peitsche durch die Luft. Marian hatte allerdings bereits einige Meter zwischen sich und seine Angreifer gebracht, nahm nun Anlauf und sprang in die Höhe. Mit einer fließenden Bewegung schlug er dem Schattenreiter auf die rechte Schulter, sodass dieser aufschrie und seine Faust öffnete. Die Peitsche fiel zu Boden.
    Als Marian krachend wieder auf dem Kopfsteinpflaster landete, taumelte er ein paar Schritte rückwärts, dann schnappte er sich die Waffe und ließ sie vor den Flanken des Pferdes züngeln, bis es ängstlich zurückwich. Der Reiter, der sich den Arm hielt, zischte etwas Unverständliches und riss die Zügel herum. Das Schattenpferd entfaltete die Flügel und stieß sich in die Höhe. Einen Augenblick später stob es durch den nächtlichen Himmel davon. Vermutlich, um Verstärkung zu holen. Marian stürzte auf den Dom zu, als würde dieser mit mir im Erdboden versinken, wenn er auch nur eine Sekunde zögerte. Er hangelte sich an der Fassade empor. Wie ich es schon öfter bei ihm gesehen hatte, nutzte er die veränderte Schwerkraft Eisenheims und sprang immer wieder ein Stück in die Höhe. Es war eine gewagte Kletterpartie, er brauchte schließlich nur einen der gotischen Bögen zu verfehlen, um in die Tiefe zu stürzen. Aber er schaffte es. Schon kurz darauf schob sich sein verschwitzter Schopf über das Fensterbrett.
    »Hi!«, keuchte er und grinste mich an.
    Ich war so erleichtert, ihn wieder bei mir zu haben, dass ich gar nicht anders konnte, als ihm zwischen den Gitterstäben hindurch einen Kuss auf den Mund zu drücken. Und Marians Lippen hießen mich bereitwillig willkommen. Allerdings nur für die Dauer eines Gedankens, dann löste er sich wieder von mir.
    »Wir müssen zusehen, dass wir wegkommen. Es wird hier bald von Schattenreitern wimmeln«, keuchte er. Aus einer Tasche seines Mantels zog er eine kurze Eisenstange hervor, die er als Hebel zwischen Gitter und Mauerwerk ansetzte.
    Ich trat einen Schritt zurück. »Schön, dass du es geschafft hast vorbeizuschauen«, sagte ich.
    »Ich hatte eh nichts Besseres vor«, ächzte Marian, der sich nun mit seinem gesamten Gewicht auf die Eisenstange stützte. Endlich gab der Sandstein nach, es krachte, das Schloss brach heraus. Schon sprang ich auf das Fenstersims, Marian half mir, mit den Füßen Halt an der Fassade zu finden. Ich klammerte mich an einen Mauervorsprung und ließ meinen Körper vorsichtig in die Tiefe gleiten. Der Wind trug das Geräusch unzähliger Flügelpaare heran. In der Ferne überzogen Hunderte von dunklen Punkten den Himmel, die sich rasch näherten. Anscheinend war die ganze Brut aus ihrem Horst im Dunsterrost ausgerückt.
    »Das geht zu langsam«, raunte Marian. »Wir müssen in den Straßen untertauchen, bevor die Biester hier sind, sonst haben wir keine Chance.«
    Ich wollte mich weiterhangeln, doch ehe ich wusste, wie mir geschah, umschlang Marian plötzlich meine Taille und sprang.
    Wir rasten dem Erdboden entgegen, ich kreischte.
    »Schhhhh«, machte Marian. »Sonst hören sie dich. Einer von denen ist kein Problem, Flora«, erklärte er, während wir fielen und er uns nur dann und wann ein wenig abbremste, indem er mit der freien Hand nach einem Sims griff. »Aber eine ganze Armee kannst du vergessen. Die würden wir niemals abhängen.«
    Mein Haar und meine Kleidung flatterten in der eisigen Luft. Ich spürte Marians Körper an meinem Rücken, seinen Arm, der mich hielt. Noch immer raste der Boden auf uns zu. Ich hatte Angst, ja. Aber nicht mehr so wie früher. Den näher kommenden Platz zu betrachten, war ein bisschen so, wie vor dem Nichts zu stehen. Die Furcht schrumpfte allein dadurch, dass man sie aushielt.
    Die letzten Meter rauschten an mir vorbei, Marian fing unseren Sturz ab, wir kugelten über die Steine. Dann zog er mich schon auf die Beine und wir rannten los. Mir fiel auf, dass Marian ein wenig hinkte, doch er zog mich unaufhaltsam mit sich. Endlich erreichten wir das Dickicht der Gassen, einen Moment später malten dunkle Schwingen hinter uns Schatten auf das Kopfsteinpflaster.
    »Bist du verletzt?«, keuchte

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