Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nacht aus Rauch und Nebel

Nacht aus Rauch und Nebel

Titel: Nacht aus Rauch und Nebel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ma2
Vom Netzwerk:
was, nun ja, irgendwie gar nicht so schlimm war, wie ich befürchtet hatte. In der Schule postierte er sich hinter Wiebkes und meinem Tisch und sah mir bei der Mathearbeit über die Schulter. Das machte mich zwar einerseits nervös, half mir aber auch, weil er mir die eine oder andere Lösung ins Ohr raunte. Auch meine Ballettstunde am Nachmittag ließ Marian sich nicht entgehen. Für alle anderen unsichtbar stellte er sich zwischen Wiebke und mich an die Stange und machte so witzige Plies und Frappés, dass mich unsere Lehrerin mehrmals beim Kichern erwischte.
    Wiebke, der ich natürlich berichtet hatte, was sich in den letzten Tagen und Nächten abgespielt hatte, teilte meine gute Laune nicht. »Wir sollten zur Polizei gehen«, flüsterte sie mir nach dem Training im Umkleideraum zu (Marian hatte sich Gott sei Dank dazu bewegen lassen, vor der Tür auf uns zu warten). »Dein Vater darf dich nicht einfach einsperren, Schattenfürst hin oder her. Das hier ist die reale Welt, und was immer in Eisenheim passiert, darf doch nicht dein normales Leben beeinflussen.« Sie stopfte ihr Trikot in ihre Tasche. »Das ist nicht richtig.«
    Ich verdrehte die Augen. »Seit dem Tag, an dem ich zur Wandernden wurde, habe ich kein normales Leben mehr«, seufzte ich. »Wenn du also danach gehst …«
    Wiebke funkelte mich an. »Du weißt genau, was ich meine. Das geht so nicht. Linus und ich helfen dir, dich da rauszuboxen.«
    »Das ist nett«, sagte ich. »Aber die Polizei kann vermutlich nicht viel machen. Die Geschichte mit der Schattenwelt würde mir ja sowieso keiner glauben.«
    Wiebke nickte und ballte die Fäuste. »Trotzdem. Wir sind auf deiner Seite.«
    Ich lächelte. »Danke, das ist schön zu wissen. Aber vielleicht finden Marian und ich ja auch bald heraus, was vor sich geht.«
    Tatsächlich war uns das Glück sogar noch an diesem Nachmittag hold, als ich zumindest auf eine meiner geschätzten hunderttausend Fragen endlich eine Antwort fand.
    Es geschah gegen halb fünf. Marians Eishockeymannschaft hatte in knapp zwei Stunden ein Spiel und ich würde es mir ansehen. Genauso wie Ylva, die sich natürlich anschauen wollte, womit ihr Bruder sein Geld verdiente, und Wiebke, die darauf bestand, mit mir mitzukommen.
    Bevor wir uns allerdings auf den Weg zur Eishalle in Essen-West machten, musste Marian seinen Körper, seine Ausrüstung und seine Schwester aus seiner Wohnung abholen, weshalb wir nach dem Ballett erst einmal wieder nach Steele fuhren.
    Während Marians Schatten nach oben schwebte, warteten Wiebke und ich im Hausflur. Ich lehnte mich mit dem Rücken an den Rauputz, Wiebke polierte ihre Brillengläser mit einem Tuch. Wir hörten schon Marians und Ylvas Schritte auf der Treppe über uns, als ich aus dem Augenwinkel etwas vorbeihuschen sah. Schon wieder! Ich wirbelte herum. Ein Schatten sauste in Richtung der Kellertür und tauchte, ohne zu zögern, durch das Holz.
    »Verdammt«, zischte ich und war mit einem Satz ebenfalls bei der Tür.
    »Was ist denn los?«, fragte Wiebke.
    »Pass mal kurz auf meinen Körper auf, ja?«, sagte ich, statt zu antworten. Dann glitt ich auch schon aus mir selbst heraus. Ich hörte noch, wie Marian um die Ecke bog und etwas wie »Da ist man mal dreißig Sekunden weg!« rief, dann war meine Seele bereits auf der anderen Seite der Kellertür.
    »Stehen bleiben!«, rief ich der Gestalt zu, die vor mir durch einen Gang aus Waschbeton rauschte. »Wer sind Sie? Warum verfolgen Sie mich?«
    Wie zu erwarten ließ sich der Schatten nicht auf eine Plauderei mit mir ein, sondern flog unbeirrt weiter, durch eine Mauer und in einen Keller voller Fahrräder. Ich blieb ihm dennoch dicht auf den Fersen. Immerhin erkannte ich nun, dass es sich um eine zierliche kleine Frau handelte, die ein Kleid aus schwarzer Spitze trug und sich das dunkle Haar zu einem Knoten am Hinterkopf zusammengesteckt hatte. War diese Frau diejenige, die bereits seit Tagen hinter mir herschlich und sich gestern Abend sogar in unsere Wohnung gewagt hatte?
    Ich senkte den Kopf und legte einen Zahn zu. So schnell ich konnte, rannte ich durch die Luft über den Fahrrädern und folgte der Wandernden durch die nächste Wand hinein in einen Raum, in dem ein betagter Heizungskessel bullerte. Die Luft war stickig und roch nach Öl. Die Frau vor mir keuchte auf, vielleicht erschreckte sie der riesige Kessel. Jedenfalls hielt sie für einen Augenblick inne, was mir die Chance gab aufzuholen. Mit einem Hechtsprung überbrückte ich den

Weitere Kostenlose Bücher