Nacht aus Rauch und Nebel
mit schnarrender Stimme und nickte in Ylvas Richtung.
»Lassen Sie uns durch«, rief ich und machte mich kampfbereit.
Die Reiter lächelten, ihre Pferde senkten die Köpfe und scharrten mit den Hufen.
Ein Betrunkener taumelte an uns vorbei. »Geister?«, lallte er.
Wiebke und ich nickten.
Ylva stand wie erstarrt zwischen uns, die Augen weit aufgerissen, die Hände in unsere Oberarme verkrallt. Sie war totenblass geworden und zugleich lag da etwas auf ihrer Haut, das ich erst beim zweiten Hinsehen erkannte. Ein dunkles Flimmern, ihre Schattengestalt, die sich bereit machte. Die Wildheit des Monsters glomm in ihren Augen.
Verdammt! Nicht auch das noch!
»Halte sie fest!«, wies ich Wiebke an und löste Ylvas verkrampfte Finger von meinem Arm. Ohne Fragen zu stellen, umschlang Wiebke sie und presste ihr die Hände an den Körper, während ich nach vorn stürzte. Ich sprang in die Höhe und drehte mich in der Luft. Mit einer Präzision, die Madame Mafalda die Tränen in die Augen getrieben hätte, verpasste ich dem ersten Reiter einen Schlag in die Magengrube. Keuchend sackte er auf den Hals seines Pferdes, das erschrocken stieg und mit den mächtigen Hufen beinahe meinen Kopf getroffen hätte. Im letzten Moment duckte ich mich unter ihnen weg, umrundete meinen Gegner und wandte mich dem zweiten Angreifer zu.
Ein Eishockeyfan, der anscheinend gerade vom Klo kam, war entgeistert stehen geblieben und beobachtete, wie ich mich vom Boden abstieß, der Peitsche des zweiten Reiters auswich und mich an eine der schwarz gefiederten Schwingen klammerte, was auch dieses Pferd zum Scheuen brachte. Für den Fan musste es aussehen wie ein bizarrer Schattenkampf, er hatte schließlich keinen Schimmer, wer oder was mein Gegner war. Für den Reiter ergab sich hingegen das Problem, dass ich mich nun unter der Schwinge und damit außerhalb seiner Reichweite befand. Er schnaubte zornig, das Ungeheuer schlug mit den Flügeln, um den ungebetenen Gast loszuwerden, doch ich hielt mich so fest, dass meine Knöchel weiß hervortraten. Das Pferd wieherte durchdringend, galoppierte ein Stück durch die Luft, wand sich und buckelte.
Noch immer züngelte und zischte die Peitsche, jedoch ohne auch nur in meine Nähe zu gelangen. Ich krallte mich fester in das Gefieder. Das Pferd hatte mittlerweile Schlagseite, weil es sich so nicht richtig in der Luft halten konnte, seine Bewegungen wurden immer unkontrollierter. Schließlich verlor der Schattenreiter die Geduld und beugte sich weiter vor, lehnte sich kopfüber aus dem Sattel und versuchte, mich mit bloßen Händen zu erreichen.
Das war der Augenblick, in dem ich die Schwinge losließ und wieder zu Boden sprang. Mit beiden Füßen landete ich auf dem Beton, das erschrockene Schattenpferd preschte samt Reiter durch das Hallendach davon. Der Aufprall ließ ein Kribbeln durch meine Fußsohlen meine Beine hinaufwandern.
»Wie … haben Sie das gemacht?«, stammelte der Eishockeyfan, doch ich hatte keine Zeit, mir eine glaubhafte Erklärung für ihn einfallen zu lassen. Mit zwei Schritten war ich bei Wiebke und Ylva, die den Blick nach innen gekehrt hatte, sodass ihre Pupillen nicht mehr zu sehen waren. Noch immer leckte ihre Schattengestalt an ihren Zügen, bucklige Stacheln, Fangzähne, Hornplatten waren zu erahnen. Ein Grollen drang aus ihrer Kehle, während Tränen über ihre Wangen liefen. Sie war dabei, die Kontrolle zu verlieren.
Wiebke warf mir einen panischen Blick zu.
Ich packte Ylva bei den Schultern und schüttelte sie. »Komm zu dir, ja?«
Ylvas Lippen bebten, wurden von narbigen Wülsten überlagert.
»Mist!«, rief ich. Das nächste Schattenpferd hatte bereits Kurs auf uns genommen. »Weg hier!«
Wiebke und ich packten Ylva bei den Handgelenken und stürzten los, hinter den Tribünen entlang, die Treppe hinab. Beinahe wären wir gestürzt, als wir uns zu dritt und viel zu schnell durch das Drehkreuz an der Kasse drängten. Dann erreichten wir den Parkplatz, was leider nicht bedeutete, dass wir in Sicherheit waren.
Schon brach hinter uns ein weiterer Schatten durch die Wand der Eishalle und schnitt uns den Weg ab. Ich wollte mich gerade auf ihn stürzen, als ich erkannte, dass es Marian war. Er war vollkommen außer Atem, sein Shirt hing in Fetzen an seiner Schattenbrust. Wortlos trat er zu Ylva und legte ihr die Hände über die Augen, streichelte ihr Haar, murmelte etwas auf Finnisch vor sich hin. Nach und nach entspannte sie sich, ihre Schultern begannen zu beben, das
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