Nacht der Dämonen
Welt bewohnen. Ich brauche diese Waffen nicht.«
Dieser Mann fesselte Sonja immer mehr. »Wie seid Ihr hierhergekommen?« fragte sie.
Saureb setzte sich zurück auf die Steinbank am Tisch, nippte an seinem Weinbecher, und antwortete: »Ich wurde in Zamora von zamorianischen Eltern geboren. Mein Vater war Soldat, und darauf war er stolz, und meine Mutter war es mit ihm. Ich war der Erstgeborene von sieben Söhnen, und meine Eltern erzogen uns alle, um Soldaten zu werden wie Vater – ja, zu Kriegern und Schlächtern erzogen sie uns. Ich war mit scharfem, forschendem Verstand geboren, doch gestattete man mir nicht, meiner natürlichen Neigung zu folgen, sondern presste mich in den Waffendienst. Doch Ihr, die Ihr von und mit der Klinge lebt, werdet das schwer verstehen …«
»Ich folge meinem eigenen Geschick«, unterbrach ihn Sonja, »doch lasse ich jeden auf seine Art leben und versuche nicht, ihn zu meiner zu bekehren.«
Saureb nickte und fuhr fort. »Ich wurde in den Krieg geschickt, wo ich, mit Soldaten leben musste, die dumm und mit Freuden gewalttätig waren. Ihr ganzes Denken, wenn man es überhaupt so nennen konnte, war auf Töten, Huren und Glücksspiel beschränkt. Es widerte mich an. Viele Abende saß ich in der Gesellschaft meines Vaters und meiner Brüder und ihrer Kameraden, und alles, worüber sie sich unterhielten, waren Kriege, Schlachten und Gemetzel: wie man am geschicktesten töten konnte; welche neuen Entwicklungen und Taktiken uns möglichst schnell in ein neues blutiges Chaos führen könnten; wie sich bessere Belagerungsmaschinen erbauen ließen; oder wie man stärkere Festungen errichten oder möglichst viele Feinde mit geringsten Eigenverlusten vernichten könnte. Ich nahm an ihren Gesprächen teil, tat als wäre ich interessiert – doch immer verabscheute ich mich dann innerlich selbst. Stets wartete ich auf ein Zeichen der Götter, dass ich von dieser barbarischen Schau befreit würde. Als die Zeit verging und ich älter wurde, bemühte sich meine Mutter – eine erstaunlich sanfte Frau –, mich zu beruhigen, indem sie mir versicherte, dass ich mich an das kriegerische Handwerk gewöhnen und sogar noch stolz darauf sein würde. Ich glaubte es nicht. Meine Brüder übertrafen mich im Umgang mit den Waffen und taten sich hervor, aber das war mir egal. Mein Vater rügte mich, auch das war mir gleichgültig.
Dieser Wahnsinn erreichte eines Abends seinen Höhepunkt, als mein Vater und ich ein Streitgespräch führten, das ihn so gegen mich erzürnte, dass er seinen Dolch zog. Ich versuchte ihn mit Friedfertigkeit zu beruhigen, doch das ergrimmte ihn noch mehr, und er wollte mich erstechen. Wütend griff daraufhin auch ich zum Dolch und verwundete meinen Vater. Er verblutete fast, und nur der Eifer mehrerer Heiler, die sich nächtelang seiner annahmen, rettete ihn vor der Hölle. Und als er wieder auf dem Weg der Besserung war – als das Fieber ihn verlassen hatte und er wieder er selbst war –, glaubt Ihr vielleicht, dass er mich da verstieß? Dass er erbost war, weil sein ältester Sohn ihm fast das Leben genommen hatte? O nein! Er reichte mir die Hand und versicherte mir, dass ich nun sein Lieblingssohn sei. Ich hatte ihn im fairen Kampf besiegt›wie er sagte, und das war für ihn der Beweis meiner Einsicht und meines Glaubens an ihn und seine Lebensweise!
Mein Abscheu wuchs und ich beabsichtigte, fortzugehen und durch die Welt zu wandern. Kurz darauf jedoch – ich zählte noch keine sechzehn Sommer –, wurde unsere Stadt in eine Grenzstreitigkeit verwickelt und von berittenen Nomaden belagert. Truppen aus der Hauptstadt kamen uns zur Hilfe, aber Unterstützung durch die Landesarmee war nicht zu erwarten. Unsere Stadt wurde abgeschnitten, und wir hatten keine Zeit mehr, die nötigen Vorräte für die Belagerung herbeizuschaffen, die zwei Monate dauerte. In diesem Wahnsinn verloren alle, außer einer Handvoll von uns, das Leben. Tag um Tag musste ich mit ansehen, wie Frauen und Kinder verhungerten, wie unsere jungen Männer und erfahrenen Krieger auf den Brustwehren mit zerschmetterten Schädeln, verstümmelt oder durchbohrt starben. Ich rettete meinem jüngsten Bruder das Leben und sah wenig später, wie ein Wurfgeschoß ihn tödlich traf. Meine Mutter starb, nachdem sie eine verseuchte Ratte gegessen hatte – das letzte bisschen Nahrung, deren sie habhaft hatte werden können. Mein Vater verblutete von einer Verletzung an seiner Seite – eigenartigerweise an der gleichen
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