Nacht der Dämonin / Magischer Thriller
gewesen wäre, die Geste beizubehalten … und zudem eine Ausgabe, die ich mir nicht leisten konnte.
Nachdem wir den Aufzug verlassen hatten und in dem Wissen, dass wir auch hier beobachtet wurden, gab William sich alle Mühe, mein Interesse höflich zu erwidern, indem er nach Savannah und ihren Plänen für ihre berufliche Ausbildung fragte.
»Na, na, na«, trällerte eine Stimme hinter uns. »Wenn das nicht der bebrillte Kreuzritter ist. Welches grässliche Verbrechen haben wir denn diesmal begangen?« Carlos glitt an mir vorbei, pflanzte sich vor mir auf und streckte mir die Handfläche hin. »Hallo, kleiner Bruder! Da, Klaps – bring’s hinter dich.«
»Hallo, Carlos.«
Er sah sich demonstrativ um. »Wo ist die kleine Hexe? Bilde ich mir da was ein, oder schließt du die weg, wann immer ich in der Nähe bin?«
»Sie hat heute Abend anderes zu tun, aber ich bin mir sicher, du wirst sie später noch zu sehen bekommen.«
Er ließ die Zähne aufblitzen. »Oh, dafür werde ich schon sorgen.«
Ich verspannte mich und versuchte es mir nicht anmerken zu lassen. Wenn ich vor Carlos zugab, dass er einen Nerv erwischt hatte, würde er niemals Ruhe geben. Paige wies seine Aufmerksamkeiten jedes Mal zurück, aber bei Carlos diente eine Abweisung nur dazu, ihm Appetit zu machen.
»Wenn ihr mich entschuldigen wollt, William, Carlos …«
Die Tür zum Büro meines Vaters öffnete sich, und Hector kam heraus.
Wenn mein ältester Bruder den Raum betritt, stellen sich die Härchen in meinem Nacken auf, und eine eisige Furcht breitet sich in meiner Magengrube aus. William und Carlos mögen eine Abneigung gegen mich haben, aber Hector hasst mich – mit einem so reinen Hass, dass er zwischen uns in der Luft schwingt. Kann ich es ihm verübeln? Er ist der älteste Sohn. Seine Rolle als ein hart arbeitender und wichtiger Teil der Kabale war ihm vorgezeichnet, bevor ich auch nur auf der Welt war. Und trotzdem muss er die Demütigung hinnehmen, dass mein Vater aller Welt gegenüber vorgibt, er werde den Konzern mir übergeben.
»Was zum Teufel treibst denn du hier?« Hector kam näher. Er ist mindestens zehn Zentimeter kleiner als ich, aber es erforderte meine ganze Willenskraft, nicht zurückzuweichen.
»Koffer schon gepackt, Hector?«, fragte Carlos. »Ich habe nämlich das Gefühl, du wirst demnächst auf eine kleine Reise geschickt.«
»Lucas!«
Ich riss den Blick von Hector los, als mein Vater an ihm vorbeifegte, um mich zu umarmen. Noch während ich die Umarmung erwiderte, begann er mich mit Fragen zu bombardieren. Wo war Paige? Wann waren wir angekommen? Wie war der Flug verlaufen?
Meine Brüder hätten auch unsichtbar sein können. Die Temperatur ringsum schien abzustürzen, aber mein Vater merkte nichts davon. Er schob mich in sein Büro, ohne mit den Fragen aufzuhören.
Wenn es um seine Familie ging, war mein Vater so blind wie König Lear, schürte unbekümmert die Spannungen und Eifersüchte unter seinen Nachkommen und wirkte schockiert, wenn sie sich dann gegen ihn wandten. Manchmal geschah es aus Berechnung – wie bei meiner Ernennung zum Erben. Aber häufiger waren es vollkommen gedankenlose Kränkungen, etwa die Brüder zu ignorieren, wenn ich anwesend war, oder in aller Offenheit ein Foto von mir auf dem Schreibtisch stehen zu haben … mit meiner Mutter neben mir. Was meine Halbbrüder angesichts des Fotos wohl dachten und empfanden? Das Bild ihrer Mutter befindet sich weiter hinten und steht auch dort eher aus Pflichtbewusstsein als deshalb, weil mein Vater es in Sichtweite haben möchte. Er hätte dazu gesagt, seine Söhne seien erwachsene Männer, die sehr genau wussten, dass er seit Jahren nicht mehr mit ihr zusammenlebte, dass sie überhaupt nur noch deshalb verheiratet waren, weil er sich die Scheidung nicht leisten konnte. Aber es waren die emotionalen Auswirkungen, auf die es ankam, und das war etwas, das er nicht sehen konnte.
»Paige ist doch mit nach Miami gekommen, oder nicht?«, fragte er, während er die Tür schloss.
»Sie ist im Hotel und packt aus.«
»In welchem Hotel?«
»Im South Continental.«
»Warum zieht ihr eigentlich nicht …«
»Paige mag das Continental.«
»Ich wollte eigentlich vorschlagen, dass ihr bei mir unterkommt.«
Ich verschluckte einen Seufzer. Ich hatte geglaubt, seinem Angebot eines besseren Hotels zuvorkommen zu können, hatte ihm damit aber nur den Anlass zu einem Angebot geliefert, das schwieriger auszuschlagen war.
»Ich rede mit ihr
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