Nacht der Dämonin / Magischer Thriller
solange er sich nicht gezwungen sieht, sie foltern, verstümmeln oder hinrichten zu lassen.
Ich hatte meinen Vater nicht auf mein Erscheinen vorbereitet … oder auch nur darauf, dass ich nach Miami kommen würde. Ich wollte seine Reaktion sehen, ohne ihm zuvor Zeit zu geben, in der er seine Verteidigung hätte vorbereiten können. Spaß machen mir solche Manöver nicht. Wobei ich nicht unbedingt das Gleiche von ihm sagen kann.
Die Türen des Foyers hatten sich kaum hinter mir geschlossen, da tauchten eine Rezeptionistin und ein Wachmann an meinen Seiten auf. Ob jemand einen Taxifahrer bezahlen oder ein Auto auf den Parkplatz der Geschäftsleitung fahren sollte? Wollte ich einen Kaffee? Vielleicht lieber ein kaltes Getränk – es sei recht warm heute. War ich hier, um meinen Vater zu sehen? Gab es außerdem noch jemanden, den sie für mich anrufen konnten? Hätte ich gern eine Sekretariatskraft, die mir für die Dauer meines Aufenthalts zur Seite stand?
Paige ermahnt mich immer, ich solle doch die komische Seite des Ganzen sehen, und in der Tat ist es von fast sublimer Lächerlichkeit. Aber ich kann nicht einfach lachen und darüber hinweggehen – die Wurzel des Ganzen ist die Größte aller Finten meines Vaters, das ultimative Manöver: mich zu seinem Erben zu ernennen.
Indem er den einzigen Sohn zu seinem Nachfolger erklärt hat, der diese Aufgabe nicht will, hat er für Frieden unter meinen Brüdern und Sicherheit für sich selbst gesorgt. Letzteres sagt etwas über seine Beziehung zu den Söhnen aus – und über die durchaus vorhandene Möglichkeit, dass sie den Erbfall durch einen Vatermord etwas beschleunigen würden. Es ist dies eine Tatsache, die meinem Vater bewusst ist. Mich zum Erben zu ernennen heißt, dass meine Brüder Frieden halten und hart arbeiten müssen in der Hoffnung, den Vorstand davon zu überzeugen, dass sie den Konzern erfolgreich leiten könnten, sollte dieser seinen Einfluss auf meinen Vater geltend machen und ihn überreden wollen, seine Erbfolgepläne zu ändern.
Und wo bleibe ich bei alldem? In der übelsten denkbaren Situation, zusätzlich verschlimmert durch die Weigerung meines Vaters zuzugeben, dass es sich überhaupt um eine Finte handelt. Ich habe ihn gebeten – und bei einer Gelegenheit angefleht –, einzugestehen, nur mir allein gegenüber, dass das Ganze ein politisches Manöver ist. Er tut es nicht.
Die Rezeptionistin blieb zurück, als wir an ihrer Theke vorbeigingen, während der Wachmann mich zu dem Privataufzug der Geschäftsleitung eskortierte. Eine für alle Parteien unbehagliche Situation – in Anbetracht meiner kabalenfeindlichen Bemühungen hätte der Wachmann durchaus nach einem bewaffneten Aufpasser aussehen können, obwohl er sich lediglich bemühte, mir den fälligen Respekt zu erweisen.
Das Dilemma wurde gelöst, als die Tür des Aufzugs zur Tiefgarage sich öffnete und mein Halbbruder William erschien. Als er mich entdeckte, zögerte er, als versuche er seine Aussichten auf einen hastigen Rückzug abzuschätzen. Normalerweise hätte ich ihn gehen lassen, aber nachdem ich nur die Wahl hatte, den Sicherheitsmann oder William in Verlegenheit zu bringen, entschied ich, dass mein Bruder es überstehen würde.
»William, wie geht es dir?« Ich ging mit ausgestreckter Hand auf ihn zu.
Jeder Angestellte im Foyer war erstarrt, um die Begegnung zu verfolgen.
»Lucas.«
Er schüttelte mir flüchtig die Hand.
»Ich wollte gerade nach oben, mit Vater reden. Wenn du auch in die Richtung willst, können wir ja zusammen hinauffahren.«
Dem war nicht auf elegante Art und Weise zu entkommen, und so sagte er: »Ja, natürlich.«
Der Wachmann überließ mich ihm.
William ist von meinen drei Halbbrüdern derjenige, mit dem ich am besten auskomme – womit nicht gesagt ist, dass er Paige und mich in absehbarer Zeit zu einem sonntäglichen Mittagessen einladen wird. Aber er hat nie versucht, mich umzubringen – ein Zeichen von Resignation, wenn auch nicht Akzeptanz. Im Aufzug erkundigte ich mich nach seiner Frau und seinem vor kurzem geborenen Sohn. Noch ein Neffe, von dem ich annehmen musste, dass ich ihn niemals kennenlernen würde. Hectors Söhne, inzwischen beide im Teenageralter, wussten nicht einmal, dass sie einen Onkel namens Lucas hatten. Als sie noch jünger gewesen waren, hatte ich ihnen Geburtstags- und Weihnachtsgeschenke geschickt, aber nachdem diese einige Jahre lang zurückgekommen waren, ging mir schließlich auf, dass es bloße Sturheit
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