Nacht der Dämonin / Magischer Thriller
mangelte ihm tatsächlich an etwas, das zumindest stand außer Frage.
Als ich ihm zuhörte, fielen mir die Momente in Benicios Schutzraum wieder ein, während derer ich außerstande gewesen war, noch zu begreifen, dass an Troys Tod etwas falsch sein könnte. Ich hatte diesen Tod gewollt. Er hätte mir genutzt. Folglich hatte er sein sollen.
Der Dämon in seiner reinsten Form. Ego, gelenkt vom Id. Das war Jaz.
Auch an meine Überlegungen in dem Moment, in dem ich seine Wohnung zum ersten Mal betreten hatte, erinnerte ich mich. Dass sein fröhliches, impulsives Wesen von einem kalten Verstand im Zaum gehalten wurde, der ihn auch veranlasst hatte, Geld zu sparen, solange er welches hatte. Und auch diese Beobachtung schien jetzt plötzlich eine ganz neue Bedeutung anzunehmen.
Die meisten Leute hätte dieser Mangel an Selbstzweifeln und Gewissen zu Fall gebracht. Gleich das erste Mal, wenn ihr Ziel außer Reichweite blieb, hätten sie etwas Dummes getan und wären umgekommen bei dem Versuch, ihre verrückten Träume Wirklichkeit werden zu lassen. Nicht aber Jaz. Er war verrückt genug, unmöglich grandiose, destruktive Pläne auszuhecken, und brillant genug, sie durchzuführen. Und wenn er zu weit ging? Dann hatte er Sonny, der ihn in die Wirklichkeit zurückholte.
Dies war kein halb improvisierter Plan zweier dreister junger Paranormaler. Sie hatten dies seit Jahren geplant, hatten Anstellungen bei der Kabale angenommen und Carlos studiert, den Cortez-Bruder, bei dem es am wenigsten wahrscheinlich war, dass er die Firmenleitung übernehmen würde, aber auch denjenigen, den sie am einfachsten verkörpern konnten. Dann hatten sie die Gang infiltriert, Guy mit Jaz’ wilden Visionen auf ihre Sache eingeschworen, sich die Mitglieder zu Verbündeten gemacht und sie schließlich als Werkzeug für ihre Vorhaben benutzt.
Die prominentesten Mitglieder der Cortez-Familie ermorden, dann den Platz des letzten Verbleibenden einnehmen?
Irrsinn.
Was, wenn Benicio mich nicht in die Gang eingeschleust hätte? Was, wenn Karl Lucas nicht zu Hilfe geholt hätte? Wären Jaz und Sonny auch dann erfolglos geblieben? Aber selbst der Fehlschlag bedeutete noch, dass sie die Hälfte ihres Ziels erreicht hatten, und für die verbleibende Hälfte hatten sie einen Rückfallplan.
Brillanter Irrsinn.
Jetzt war also Lucas zu ihrem neuen Ziel geworden. Sie wollten ihn ermorden, seinen Platz einnehmen und Carlos des Mordes an seinen Brüdern überführen. Dann würde Benicio die Leitung der Kabale seinem geliebten jüngsten Sohn übertragen, und dieser würde zur Vernunft kommen und seinen Kreuzzug aufgeben. Wenn der Machtwechsel vollzogen und etabliert war, konnte der alte Mann still im Schlaf sterben.
Lucas war als Ziel ebenso geeignet wie Carlos, vielleicht sogar geeigneter. Sein Alter, sein Teint und sein Körperbau kamen Jaz und Sonny näher. Sie konnten ein paar Wochen lang Schuhe mit Einlagen tragen, bis den Leuten der Größenunterschied nicht mehr auffallen würde. Weiter geschnittene Anzüge tragen, bis sie etwas Gewicht verloren hatten – oder aber Lucas an Gewicht zulegen lassen. Keine allzu schwierige Verwandlung.
Das einzige wirkliche Hindernis war Paige.
Sie würde man nicht täuschen können. Also hatten sie klugerweise gar nicht vor, es zu versuchen. Sie würden sie kidnappen und aus dem Verkehr ziehen, bis »Lucas« die Kabale übernommen hatte. Bis dahin würde er natürlich weiter hartnäckig nach seiner Frau suchen, heroisch und sentimental, wie es sich gehörte. Wenn er sie dann schließlich fand, würde sie feststellen, dass er nicht mehr er selbst war – aber ihre Zweifel würde man auf den posttraumatischen Stress schieben. Und er würde sich wirklich verändert haben. Sie hatte Lucas Cortez, den Kabalenbekämpfer, zurückgelassen und würde nun Lucas Cortez, das Kabalenoberhaupt, vorfinden.
Wie ihre Reaktion auch immer genau ausfallen mochte, Jaz versicherte mir, dass die weitere Entwicklung bereits vorgezeichnet sei. Die Scheidung.
»Unüberwindliche Differenzen. Absolut verständlich unter den gegebenen Umständen. Sie wird eine schöne Abfindung bekommen, und ich werde frei sein und kann dich heiraten.« Er grinste. »Es ist einfach perfekt. Paige und Lucas werden sich einvernehmlich trennen, nachdem die Tragödie und die veränderte Situation sie einander entfremdet haben, und zu wem wird er sich nach einer angemessenen Frist dann hingezogen fühlen? Zu der schönen Halbdämonin, die ihm geholfen hat, seine
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