Nacht der Dämonin / Magischer Thriller
machte den Reiseführer und wies mich in einem laufenden Kommentar auf die Sehenswürdigkeiten zu beiden Seiten der Route hin – einschließlich der umwerfend attraktiven Männer, die an den Tischen vor dem Score herumlungerten. Jeder Einzelne von ihnen hätte jedem Zeitschriftencover Ehre gemacht, und bei keinem bestand irgendeine Aussicht darauf, dass er weibliche Aufmerksamkeit erwidern würde. Es gebe in South Beach nicht mehr so viele schwule Bars wie früher, erklärte Jaz. Sie hätten das Viertel aufgewertet, hätten es zur heißesten Gegend von Miami gemacht und seien dann weitergezogen. Viele andere waren ihnen gefolgt, und jetzt hatte South Beach nicht mehr ganz das Publikum von vor ein paar Jahren, aber das störte Guy nicht weiter. Etwas weniger hippe junge Leute bedeutete stattdessen mehr Touristen und Nachahmer, die leichtere Targets abgaben.
Der Club lag einen Block weit von der Einkaufsstraße entfernt. Keine 1 a-Lage, aber nach der Schlange am Eingang zu urteilen schien das niemanden zu stören. Jaz erzählte mir, dass Guy es mochte, wenn wir beim Hereinkommen erste Kontakte in der Schlange aufnahmen – vielversprechende Targets identifizierten, sie hereinließen, bereits einen Vorwand schufen, um uns später vorzustellen. Aber dies war mein erster Abend, und Jaz war der Ansicht, wir könnten uns diesen Teil heute sparen. Also näherten wir uns auf der anderen Straßenseite und überquerten die Fahrbahn erst beim vorderen Ende der Schlange.
Wir trabten hinüber, wichen langsam fahrenden Autos aus; Jaz’ Finger lagen leicht auf meiner Taille. Rauchgeruch trieb zu uns herüber, ein Teil davon Auspuffgase, ein anderer von denjenigen in der Schlange, die rasch eine letzte Zigarette oder einen Zigarillo rauchten. Ein nervöses Lachen erhob sich über dem Murmeln der wartenden Menge. Jede Stimme wirkte unnatürlich hoch, voll von künstlichem Nachdruck, als versuchten die Wartenden sich selbst einzureden, dass es eine ausgesprochen coole und unterhaltsame Art war, einen Abend zu verbringen, indem man in einer Schlange auf dem Gehweg stand.
Wir näherten uns dem Absperrseil, wo eben ein Mädchen in einem geradezu bestürzend hässlichen Tüllfähnchen den Türsteher davon zu überzeugen versuchte, dass sie die Vorhut für J. Lo darstellte und wirklich unbedingt und augenblicklich eingelassen werden musste, weil J. Lo nämlich nicht kommen würde, wenn ihr Tisch nicht für sie vorbereitet sei. Der Türsteher hörte sich alles an, ohne ihr ein einziges Mal ins Gesicht zu sehen, und öffnete den Mund eben weit genug, um ihr einen Club zwei Straßen weiter zu empfehlen, wo man ihr vielleicht glauben würde, dass J. Lo unterwegs war und sich, wichtiger noch, dafür interessierte.
Als der Türsteher Jaz sah, brach die steinern gelangweilte Maske zu einem breiten Grinsen auseinander und präsentierte dabei einen fehlenden Schneidezahn. Er schlug Jaz auf den Rücken und begrüßte Sonny, der das erwartungsvolle Mädchen zur Seite schob, um mich einzulassen. Jaz blieb noch eine Minute lang stehen, stellte mich vor und machte Konversation, während ich das Gewicht der Blicke in meinem Rücken spürte und auf die halb neugierigen, halb abfälligen Varianten von »Wer sind denn die?« lauschte. Dann öffnete der Mann uns die Tür, und wir traten ein.
Der Club hieß Easy Rider, und jetzt wusste ich auch, warum. »Born to be Wild« dröhnte aus den Lautsprechern. Nebel wirbelte rings um ein halbes Dutzend Pooltische. Auf zwei Laufstegen tanzten tätowierte Stripperinnen mit toupiertem Haar und zerrissenen Netzstrümpfen. Die Kellnerinnen steckten in ledernen BHs und Chaps, die Kellner in ledernen Thongs und Chaps. Die Tische waren wackelig und zerschrammt, die Ledersitze abgeschabt und zerschlissen. Es sah aus wie eine Bikerbar um 1970.
Ich brauchte nicht lang, um die Illusion zu durchschauen. »Born to be Wild« war eine tanzbare Coverversion. Der Nebel rings um die Pooltische war Trockeneis. Die tätowierten Stripperinnen waren umwerfend, und die Tätowierungen gingen mit etwas Wasser und Seife wahrscheinlich ab. Die Schäden an Tischen und Bänken waren ein Designelement und nicht etwa Alters- und Gebrauchsspuren.
Ein Club also, der zu dem Zweck gestaltet war, den Jungen, Reichen und Gelangweilten den Eindruck zu vermitteln, sie könnten in die schmuddelige Bikerszene abtauchen, ohne ihre Prada-Outfits zu gefährden.
»Kitschig, was?«, flüsterte Jaz; sein warmer Atem kitzelte mich am Ohr.
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