Nacht der Dämonin / Magischer Thriller
zurückzukehren, aber das Hochgefühl von vorhin war verflogen, und ich würde es nicht wiederfinden.
»Nein, bringen wir’s lieber hinter uns«, sagte ich stattdessen.
Ich schickte Jaz eine SMS , erzählte ihm, ich hätte Ärger mit meinen Eltern bekommen und müsste nach Hause in meine Wohnung. Er würde nicht gerade glücklich darüber sein, aber damit konnte ich mich morgen befassen – nachdem ich dies hier erledigt und Karl mit dem ersten Flugzeug nach Hause geschickt hatte.
Dann erzählte ich Karl, was ich getan hatte.
»Ich gebe ihm zehn Minuten, bevor er vor deiner Wohnungstür steht.«
»Wird er nicht.«
Karl schnaubte. »Du bildest dir ein, er wird es einfach so auf sich beruhen lassen? Er …«
»Er wird es deswegen nicht tun, weil er meine Adresse nicht hat.«
»Nein?«
»Nein.«
Ein Grunzer, dessen genauen Wortlaut ich nicht verstehen konnte. Er führte mich auf einen Parkplatz und dort zu einer Dreiergruppe von Autos: einem Porsche, einem Ferrari und einem Lexus. Ich betrachtete den Lexus. Nichts Sportliches oder Auffallendes, einfach nur schnittig, kraftvoll und luxuriös. Ein Bankerauto. Kein Aufkleber einer Leihwagenfirma war zu sehen. Ich blieb neben der Beifahrertür stehen. Ein kurzes Aufblitzen des Schlüsselanhängers, und die Tür öffnete sich. Ich stieg ein.
»Das ist wahrscheinlich nicht unbedingt etwas, das man an einem öffentlichen Ort besprechen sollte«, sagte ich, während er den Motor anließ. »Wo ist dein Hotel?«
»Ich habe keins. Wir können in deiner Wohnung reden.«
Ich versuchte mir eine Ausflucht einfallen zu lassen, die nicht kleinlich klingen würde. Als ich keine fand, nannte ich ihm die Adresse und die Route.
Ein, zwei Meilen lang sprach keiner von uns, dann sagte Karl: »Vorhin in diesem Durchgang. Was du über den Morgen damals gesagt hast, was ich gesagt hätte … so war es nicht.«
»Du hast das nicht gesagt?«
Er verlagerte den Griff ums Lenkrad etwas. »Ich meine damit, deine Interpretation war nicht das, was ich beabsichtigt hatte.«
»Wie sollte man ›Ich gehe, und ich möchte, dass du mit anderen Männern weggehst‹ denn sonst interpretieren?«
Ein Moment des Schweigens, dann: »Du hast recht.«
Das war alles, was er sagte. Du hast recht.
Weitere lange Momente der Stille, die sich zu Minuten dehnten. Ich räusperte mich. »Ich weiß, das ist unangenehm, und du versuchst gerade, es weniger unangenehm zu machen, aber das ist gar nicht nötig. Wir werden auch nach dieser Geschichte für Benicio noch aufeinandertreffen. Vielleicht werden wir für den Rat sogar zusammenarbeiten müssen. Das ist in Ordnung. Ich habe kein Problem damit, eine professionelle Beziehung zu dir aufrechtzuerhalten, Karl.«
»Eine professionelle Beziehung?«
»Ja, ich kann mich professionell benehmen, so überraschend es vielleicht auch klingt.«
»Das ist es nicht …« Eine Pause. »Das war’s dann also. Du willst nicht, dass ich weiterhin vorbeikomme.«
Ich hätte am liebsten geschrien: Was glaubst du eigentlich? Aber ich wusste, was er glaubte. Dass er nämlich, was immer er auch getan hatte, nur aufzutauchen brauchte mit seinem unwiderstehlichen Charme, und ich würde ihn zurückhaben wollen. Nicht, dass ich ihn zurückbekommen würde – er mochte es einfach, gewollt zu werden.
»Nein, Karl, ich will nicht, dass du weiterhin vorbeikommst.«
Sein Kiefer straffte sich, und ich rechnete damit, dass sich für den Rest der Fahrt daran nichts mehr ändern würde, aber als er die nächste Ecke genommen hatte, fragte er: »Hast du Hunger?«
Mein Magen machte einen Satz; die Worte waren so vertraut. Werwölfe haben einen außergewöhnlich hohen Grundumsatz, das heißt, ein normales Essen im Restaurant reicht nie aus. Er aß oft um sechs Uhr zu Abend und um neun Uhr dann noch einmal, einfach um keine Aufmerksamkeit zu erregen. Heute Abend hatte er wahrscheinlich überhaupt nicht gegessen, und er war jetzt ausgehungert. Aber es zugeben? Das hätte bedeutet, dem Wolf gegenüber zu kapitulieren, einzugestehen, dass es ein paar Instinkte und Bedürfnisse gab, die sich seiner Kontrolle entzogen.
Wenn er also Hunger hatte, fragte er mich, ob
ich
Hunger hatte, und ich hatte schon vor einer ganzen Weile gelernt, dies als die Kurzfassung von »Können wir bitte etwas zu essen besorgen, bevor ich anfange, die Möbel anzunagen?« zu verstehen. Manchmal zog ich ihn damit auf, aber meist spielte ich das Spiel einfach mit und sagte ja. Dann war er eines späten
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