Nacht der Dämonin / Magischer Thriller
niemandem schadet.«
»Nein, nicht auf eine Art, die niemandem schadet. Auf eine Art, die
dir
nicht schadet. Wenn du mir ins Gesicht sehen und dabei sagen kannst, dass dir dies in keiner Weise anders vorkommt als die Suche nach irgendwelchen Querschlägern von Magiern oder Halbdämonen, dann gehe ich. Aber wenn du’s nicht kannst …?« Seine Finger trommelten auf die Armlehne seines Sessels. »Ich habe schon mit Lucas geredet. Wenn du jetzt aussteigst, erledigt er das Weitere für uns.«
»Und was, wenn ich nicht aussteigen will?«
Karls Mund wurde eine Spur schmaler, bevor er sich wieder gefangen hatte. »Ich möchte dich bitten, es dir noch mal zu überlegen, Hope. Was du im Moment auch über mich denkst, ruf dir all die Gelegenheiten ins Gedächtnis, bei denen du meinen Rat angenommen hast, weil du wusstest, dass es in deinem Interesse war. Dies ist ein Gebiet, auf dem du mir wirklich keinen Eigennutz vorwerfen kannst. Ich denke an dich und an das, von dem ich glaube, dass es für dich am besten ist, weil ich dich so gut kenne, wie ich’s nun mal tue.«
Ich sah weg. Ärgerliche und sogar sarkastische Antworten schossen mir durch den Kopf, aber ich versuchte keine davon festzuhalten. Konnte es nicht.
»Ich kann diesen Auftrag erledigen.«
»Ja, das kannst du. Die Frage ist, ob du es sollst.«
Ich hob den Blick zu ihm. »Ich glaube, ich sollte.«
Seine Fingerspitzen massierten die ledergepolsterte Armlehne. »Es geht um die Sache letztes Jahr, stimmt’s? Das, was da mit Jaime passiert ist?«
Eine Sekunde lang war ich wieder in dem Raum von damals, lag auf dem kalten Betonboden. Die Todeskammer. Ich spürte, wie das unvorstellbare Chaos all der entsetzlichen Tode um mich her wirbelte. Ich hörte die Furcht in Jaimes Stimme. Hörte die schweren Schritte draußen. Wusste, dass sie sie holen kamen, dass der Tod unterwegs zu ihr war, und einen winzigen Moment lang hatte ich einen unbestreitbaren Schauder der Vorfreude empfunden. Er hatte nur eine Sekunde lang angehalten, aber ich hatte mich nicht darauf verlassen können, dass er nicht wiederkommen würde, hatte mir selbst nicht umfassend genug vertrauen können – vielleicht hätte ich am Ende ja doch etwas getan, das die Situation noch verschlimmerte, um dann das Chaos abschöpfen zu können. Also hatte ich zu ihr gesagt, sie solle mich bewusstlos schlagen.
Ich schüttelte den Kopf. »Dies hier hat nichts mit …«
»… Selbstversuchen zu tun? Damit, dass du sehen willst, bis zu welchem Punkt du es durchhältst? Wie lang du es
kontrollieren
kannst?«
»Wir haben das alles schon besprochen, und …«
»Und du hast nicht vor, es noch mal mit mir zu besprechen. Schön. Aber gleich morgen früh werde ich mit Benicio reden, Hope. Es ist nicht nötig, dass du mitkommst, aber wenn du etwas dazu beitragen willst, kannst du dich gern anschließen.«
»Werde ich.«
»Gut.« Er sah auf die Uhr. »Es ist zu spät, um sich jetzt noch in ein Hotel einzuchecken …«
»Dann schlaf auf dem verdammten Sofa, so wie du’s die ganze Zeit vorgehabt hast.«
Ich stemmte mich vom Sofa hoch, stiefelte zu meinem Schlafzimmer und gab mir Mühe, die Tür nicht zuzuschlagen.
Ich ging ins Bett, aber schlafen konnte ich nicht. Die Tequilas und das chaosbedingte Hochgefühl waren verflogen, und jetzt, nachdem ich allein war und nichts anderes hatte, mit dem ich mich beschäftigen konnte, kehrten meine Gedanken zu dem Überfall zurück. Anders als nach meinen Abenteuern im Auftrag des Rates stellte sich hier keine zweite Welle der Glückseligkeit ein, als das Ganze noch einmal vor mir ablief. Ich dachte daran, wie viele Leute wir erschreckt hatten – unschuldige Leute, denen wir eine Todesangst eingejagt hatten, einfach nur zum Spaß.
Ich rief mir ins Gedächtnis, dass es ein Auftrag war genau wie bei meiner Arbeit für den Rat. Ganz egal, was ich von den Kabalen und ihren Methoden halten mochte, eine Krise im Umgang mit den Gangs konnte sich auf die gesamte paranormale Gemeinschaft auswirken. Eine friedliche Einigung zu ermöglichen – oder doch wenigstens eine Einigung mit einem Minimum an Blutvergießen – war ein gerechtfertigtes Anliegen.
Aber meine Schuldgefühle entsprangen nicht meiner Beteiligung an dem Überfall, sondern dem Umstand, dass ich ihn genossen hatte. Nein, in ihm
geschwelgt.
Ich dachte an dieses sechzehnjährige Mädchen, daran, was wir aus dem grandiosesten Abend ihres Lebens gemacht hatten, und mir fiel wieder ein, was ich mir dabei
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