Nacht der Füchse
Schultern tragen.« Er leerte sein Glas, lächelte und sagte auf Englisch: »Also, Harry. Legen wir los.«
Hofer schaute verwirrt vom einen zum andern, und Marti neau zog die Walther mit dem Carswell-Schalldämpfer. »Es wäre dumm, wenn Sie mich zum Schießen zwingen würden. Niemand würde etwas hören.« Er nahm Hofer die Mauser ab. »Setzen Sie sich.«
»Wer sind Sie?«, fragte Hofer.
»Ich bin ebenso wenig Standartenführer Max Vogel, wie un ser Heini der Wüstenfuchs ist.«
»Heini?« Hofers Erstaunen wuchs.
»Das bin ich«, gab Baum Auskunft. »Heini Baum. Erich Berger kam bei einem Luftangriff auf Kiel ums Leben. Ich übernahm seine Papiere und kam zu den Fallschirmjägern.«
»Aber warum…?«
»Wissen Sie, Herr Major, ich bin zufällig Jude – können Sie
sich ein besseres Versteck vorstellen als die Wehrmacht?«
»Mein Gott!«, sagte Hofer heiser.
»Ja, ich dachte mir, dass Ihnen das gefallen würde. Deutsch
lands bekanntester Kriegsheld von einem Juden dargestellt. Eine ironische Geschichte.«
Hofer schaute Martineau an. »Und Sie?«
»Ich bin Lieutenant-Colonel Martineau und arbeite für die SOE. Bestimmt haben Sie schon von uns gehört.«
»Ja.« Hofer griff nach seinem Glas und kippte den Rest des Cognacs hinunter. »Das kann man wohl sagen.«
»Ihr Chef ist ein Glückspilz. Als Sie gestern Abend schon im Bett lagen, war ich dicht davor, ihm eine Kugel in den Kopf zu jagen. Unser Freund hier kann von Glück sagen, dass er Selbstgespräche führt und ich gleich merkte, dass nicht alles so sein konnte, wie es aussah.«
»Was haben Sie vor?«, wollte Hofer wissen.
»Ganz einfach. Generalfeldmarschall Rommel fliegt heute Abend nicht im ›Storch‹, sondern mit dem Postflugzeug – was zur Folge hat, dass ich ihn zusammen mit einigen Freunden begleiten kann. England ist unser Ziel.«
»Die junge Dame?« Hofer rang sich ein Lächeln ab. »Sie hat mir gefallen. Vermutlich ist bei ihr auch nicht alles, wie es aus sieht.«
»Noch etwas«, fuhr Martineau fort. »Allerdings ein wichti ger Punkt. Vielleicht fragen Sie sich, warum ich Sie nicht er schieße. Nun ja, da Heini die schlechte Angewohnheit hat, an Türen zu lauschen, weiß ich, wo Rommel dieses Wochenende steckt und was er plant. Die Ermordung Hitlers in diesem Sta dium des Krieges würde den Alliierten gut in den Kram passen. Unter diesen Umständen werden wir die Sache in England wohl unter den Teppich kehren, um Generalfeldmarschall Rommel das Leben nicht unnötig schwer zu machen, wenn Sie verstehen, was ich meine. Er soll ruhig durchführen, was er plant. Sie sollen ihm diese Nachricht überbringen, und dazu
müssen Sie am Leben bleiben.«
»Und wie soll er dem Führer erklären, was hier vorgefallen ist?«
»Das dürfte ziemlich einfach sein. Der französische Wider stand und alliierte Agenten haben schon mehr als einmal ver sucht, Rommel umzubringen. Vergessen Sie nicht, dass die Briten ihn beinahe schon in Nordafrika erwischt hätten. Da war es eine selbstverständliche Vorsicht, sich gelegentlich von Ber ger vertreten zu lassen – dafür sprechen ja auch die Ereignisse hier auf Jersey. Wäre er selbst gekommen, hätte er den Besuch nicht überlebt. Die Tatsache, dass Berger bei der Gelegenheit die Seiten wechselte, ist bedauerlich, aber wohl kaum Ihr Feh ler.«
»Nun sprechen Sie plötzlich wieder von Berger.«
»Ich glaube, er will damit sagen, Sie würden die Sache unnö tig kompliziert machen, wenn Sie auch noch meine jüdische Herkunft ins Spiel bringen«, sagte Heini.
»So ungefähr.« Martineau stand auf. »Also, jetzt bringen wir Sie nach oben.«
Hofer blieb nichts anderes übrig, als zu gehorchen. Die bei den Männer folgten ihm über die Treppe in das kleine Zimmer, in dem er übernachtet hatte.
Durch die halbgeschlossene Gardine vermochte er in den Hof und über die Mauer zu schauen, wo Heider neben einem Schützenpanzerwagen stand.
»Anscheinend wollen Sie mich nicht umbringen«, sagte er.
»Natürlich nicht«, erwiderte Martineau. »Ich brauche Sie doch, damit Sie Rommel alles berichten. Halten Sie still, regen Sie sich nicht auf, dann wird alles gut.«
Hofer spürte einen brennenden Schmerz am rechten Arm und verlor sofort das Bewusstsein. Baum injizierte den gesam ten Inhalt der Spritze, und Martineau ließ den Major auf das Bett sinken, legte ihm die Beine zurecht und deckte ihn zu.
Dann verließen die beiden das Zimmer. »Neunzehn Uhr«,
murmelte Martineau unten. Er
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