Nacht der Füchse
inspizieren.«
Hofer nickte. »Das kann ich verstehen, Herr Generalfeld marschall, aber ich begreife nicht, wie Sie an zwei Orten gleichzeitig sein wollen. Beim Treffen mit Falkenhausen und Stülpnagel in Frankreich und auf Inspektion in Jersey.«
»Sie haben mich doch vorhin auch an zwei Orten gleichzei tig gesehen«, entgegnete Rommel gelassen, »im Publikum und auf der Bühne.«
Es war so still im Zimmer, dass Hofer das Ticken der Uhr hören konnte. »Mein Gott!«, flüsterte er. »Meinen Sie das ernst?«
»Warum nicht? Als unser Freund Berger vorhin die Bühne betrat, hat er im ersten Moment sogar mich getäuscht. Stimme und Auftreten – alles echt.«
»Aber wäre er intelligent genug, um die Rolle durchzuhal ten? Er müsste viele Einzelheiten berücksichtigen. Ich meine, es besteht doch ein gewisser Unterschied zwischen einem Ge neralfeldmarschall und einem Schreibstubenhengst.«
»Er scheint mir ganz aufgeweckt zu sein«, meinte Rommel. »Offensichtlich hat er Talent und außerdem Mut. Eisernes Kreuz Erster und Zweiter Klasse. Und Sie dürfen einen wichti gen Punkt nicht übersehen.«
»Und das wäre, Herr Generalfeldmarschall?«
»Er hätte Sie die ganze Zeit als Stütze neben sich.« Rommels Stimme klang plötzlich ungeduldig. »Wo bleibt Ihre Begeiste rung, Konrad? Also, wenn Sie sich solche Sorgen machen, las se ich Ihnen ein paar Tage Zeit, um Berger vorzubereiten. Heute ist Sonnabend – wie wär’s, wenn wir nächsten Freitag Jersey aufsuchten? Mir geht es um höchstens sechsunddreißig Stunden. Rückkehr nach Frankreich Samstagabend, spätestens Sonntag. Wenn Berger die Rolle nicht so lange spielen kann, fresse ich meine Mütze.«
»Also gut, Herr Generalfeldmarschall. Ich gebe auf den Ka nalinseln bekannt, dass Sie nächsten Freitag eintreffen.«
»Nein, nein«, widersprach Rommel, »das fädeln wir raffi nierter ein. Wer ist Befehlshaber dort?«
»Generalmajor Graf von Schmettow. Sein Hauptquartier be findet sich auf Guernsey.«
»Ich kenne den Mann«, sagte Rommel. »Ein guter Offizier.«
»Steht allerdings im Ruf, England-Freund zu sein, was ihm in gewissen Kreisen nicht genützt hat«, bemerkte Hofer.
»Andererseits hat ihm sicher der Umstand geholfen, dass er Generalfeldmarschall von Rundstedts Neffe ist. Wer ist Mili tärbefehlshaber auf Jersey?«
»Ich schaue nach.« Hofer zog eine Mappe aus seiner Akten tasche und blätterte eine Liste durch. »Ja, da hätten wir es. Mi litärkommandeur ist Oberst Heine.«
»Und die Zivil Verwaltung?«
»Da wären die entscheidenden Leute Oberst Baron von Auf sess und Major Heider.«
»Und die Bevölkerung? Durch wen wird sie vertreten?«
»Es gibt da eine Organisation namens ›Oberrat der JerseyStaaten‹. Präsident ist der Gerichtsamtmann der Insel, ein ge wisser Alexander Coutanche.«
»Gut«, sagte Rommel. »Wir machen Folgendes: Sie weisen General von Schmettow an, in Guernsey eine Koordinations konferenz einzuberufen, die sich mit den Folgen der in diesem Sommer drohenden Invasion in Frankreich für die Inseln be schäftigen soll.«
»Pflichtteilnahme aller Betroffenen?«
»Gewiss. Der Militärbefehlshaber von Jersey, die Zivilver antwortlichen, der Gerichtsamtmann und seine Leute, und auch die verantwortlichen Offiziere der Marine- und LuftwaffenEinheiten auf den Inseln.«
»So dass als Stellvertreter ausschließlich jüngere Offiziere im Dienst sein werden.«
»Genau.«
»Der Flugverkehr nach und von den Kanalinseln ist ziemlich eingeschränkt, denn die RAF ist hier sehr aktiv geworden. Normalerweise findet der Verkehr zwischen den Inseln zu Wasser und bei Nacht statt.«
»Ich weiß«, erwiderte Rommel. »Ich habe mich in diesem Punkt vom Marinehauptquartier in Cherbourg unterrichten las sen. Von Schmettow soll die Konferenz für den nächsten Sonnabend einberufen. Unter den gegebenen Umständen muss die Anreise dann schon entweder Donnerstagnacht oder Freitag ganz früh erfolgen, damit man rechtzeitig zur Stelle ist. Ich fliege dann Freitag früh im Storch hinüber.«
»Ein riskanter Flug, Herr Generalfeldmarschall.«
»Gewiss, für Sie und Berger, nicht für mich.« Rommels Lä cheln hatte etwas Charmant-Rücksichtsloses. »Die Insel erfährt von meinem Besuch erst, wenn Sie den Flughafen um Lande genehmigung bitten.«
»Was wird von Schmettow davon halten?«
»Er wird glauben, dass die ganze Sache absichtlich eingefä delt wurde, damit ich der Insel und ihren
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