Nacht der Füchse
breichen, Schwester. Nicht zu viel, wir werden schnell ma chen.«
Aus einer Ecke verfolgte Gallagher fasziniert die Operation. Savary wanderte durch die kopfsteingepflasterten Straßen der Altstadt von Granville und war mit sich und dem Leben ganz und gar nicht zufrieden. Zum einen war die Nebelfahrt von Jersey zum Festland sehr anstrengend gewesen, zum anderen bedrückte ihn die Lage, in die Gallagher ihn gebracht hatte. Er erreichte einen ruhigen kleinen Platz. Sophie’s Bar lag auf der anderen Seite, und durch die Verdunkelung waren einige Lichtstreifen zu sehen. Widerstrebend überquerte er den Platz und trat ein.
Gérard Cresson saß in seinem Rollstuhl und spielte Klavier, ein kleiner Mann mit dem bleichen, angespannten Gesicht des Invaliden, das schwarze Haar beinahe schulterlang. Er hatte zwei Jahre vor dem Krieg bei einem Unfall im Hafen einen Wirbelbruch erlitten und würde nie wieder gehen können, auch nicht auf Krücken.
In dem Lokal hockten etwa ein Dutzend Gäste; einige See leute kannte Savary sogar. Sophie saß zeitunglesend auf einem Hocker hinter dem Marmortresen, hinter sich einen verzierten Spiegel mit zahlreichen Flaschen. Sie war Ende dreißig und hatte zigeunerhaft schwarze Augen und ein bleiches Gesicht mit breitem, hellrot angemaltem Mund. Das dunkle Haar trug sie hoch gesteckt. Sie hatte hübsche Brüste, die besten, die Sa vary je gesehen hatte. Nicht dass es ihm etwas nützen würde. Mit Messer oder Flasche war sie unbezwingbar – und es gab in Granville mehrere Männer, die entsprechende Narben vorwei sen konnten.
»Ah, Robert, es ist lange her. Wie geht es so?«
»Könnte schlimmer sein, könnte besser sein.«
Während sie ihm einen Cognac einschenkte, schob er ihr den Brief hin. »Was ist das?«, fragte sie.
»Ihr Freund Gallagher in Jersey benutzt mich jetzt schon als Postboten. Ich weiß nicht, was drinsteht, will es auch gar nicht wissen, aber er erwartet, dass ich ihm eine Antwort mitbringe. Wir legen morgen Mittag ab. Ich melde mich wieder.« Er kipp
te seinen Cognac hinunter und ging.
Sophie kam um den Tresen herum und rief einem der Gäste zu: »He, Marcel, pass mal für mich auf die Bar auf.«
Sie ging zu ihrem Mann, der zu spielen aufgehört hatte und sich eine Zigarette anzündete. »Was sollte das eben?«
»Wir wollen rasch nach hinten gehen und es herausfinden.«
Sie zog den Rollstuhl vom Klavier fort und schob ihn an der Bar entlang in das hinten gelegene Wohnzimmer. Gérard Cres son rollte sich zum Tisch und las Gallaghers Brief. Mit ernstem Gesicht schob er ihr schließlich den Bogen hin.
Sie las hastig, griff nach einer Flasche Rotwein und füllte zwei Gläser. »Diesmal steckt er wirklich in der Scheiße, unser guter General.«
»Kann man wohl sagen.«
Die beiden spielten seit etwa drei Jahren führende Rollen in der Widerstandsbewegung von Granville bis Avranches und St. Malo. Gérard hatte das Organisationstalent, Sophie wirkte als seine rechte Hand. Sie waren ein erfolgreiches Team. Ohne Erfolg wären sie längst erschossen worden.
»Du funkst die Sache nach London?«
»Selbstverständlich.«
»Was meinst du?«
»Vielleicht wird man uns bitten, diesen Yankee von Jersey wegzuholen«, sagte sie.
»Das wäre schon bei günstigen Verhältnissen schwierig«, erwiderte er. »Und unmöglich in der Verfassung, in der er ist.« Er hielt ihr zum Nachschenken das Glas hin. »Natürlich gibt es eine ziemlich klare Lösung. Die unter den gegebenen Umstän den für alle Beteiligten viel besser wäre, würde ich meinen.«
»Ja?«
»Wir könnten jemanden rüberschicken, der ihm die Kehle durchschneidet.«
Ein kurzes Schweigen trat ein, dann sagte sie: »Der Krieg dauert schon lange.«
»Zu lange«, meinte er. »Fahr mich in den Lagerraum, ich verständige London.«
Major Speer wandte dem Waschbecken den Rücken zu und trocknete sich die Hände ab. Schwester Bernadette rührte be reits den Gips an. Der Militärarzt trat an den Operationstisch und blickte auf den bewusstlosen Kelso nieder.
»Ausgezeichnete Arbeit«, sagte George Hamilton.
»Ja, ich muss selbst sagen, ich bin ziemlich stolz auf mich.« Speer griff nach seinem Mantel. »Den Rest schaffen Sie be stimmt allein. Ich habe ein Essen im Offiziersklub und komme schon zu spät. Sie müssen mich unbedingt wissen lassen, wie die Heilung voranschreitet, Herr Professor. Herr General.« Er salutierte und verließ den Raum.
Hamilton starrte auf Kelso nieder; jede Kraft schien ihn
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