Nacht der Füchse
»Ich muss euch mitteilen, dass sich unsere Pläne entscheidend geändert haben.«
Die anderen reagierten erstaunt. »Jesus im Himmel«, sagte Gallagher, »was haben Sie jetzt schon wieder ausgebrütet?«
Martineau zündete eine Zigarette an, stellte sich mit dem Rücken zum Feuer und sagte gelassen: »Setzen Sie sich – ich erzähl’s Ihnen.«
14
Am nächsten Morgen fuhr Gallagher um neun Uhr nach St. Helier hinunter und hatte wieder zwei Säcke Kartoffeln im Wagen. Diesmal hielt er nicht an der Markthalle, sondern fuhr direkt zum Wehrmachts-Versorgungsdepot in der alten Werk statt in der Wesley Street. Die ersten Lkws, die den verschie denen Truppenteilen auf der Insel Nachschub brachten, fuhren bereits um 8.30 Uhr los – deshalb hatte er sich diese Zeit aus gesucht. Feldwebel Klinger saß in seinem gläsernen Büro und frühstückte Wurst, Eier und Speck – alles sehr englisch. Dazu trank er echten Kaffee, das roch Gallagher bereits auf der Treppe.
»Guten Morgen, Herr General, was haben Sie für mich?«
»Zwei Säcke Kartoffeln, wenn Sie interessiert sind. Ich wür de dafür Konserven nehmen, egal, was Sie haben, und Kaffee.« Er schnappte sich ein Stück Speck von Klingers Teller. »Immer wenn ich Sie besuche, essen Sie.«
»Warum nicht? Andere Freuden bietet das beschissene Le ben ja nicht mehr. Hier, trinken Sie einen Kaffee mit.« Klinger schenkte ein. »Warum sind die Menschen so dumm? Ich hatte vor dem Krieg in Hamburg ein hübsches Lokal. Gutes Publi kum. Meine Frau gibt sich wirklich Mühe – aber erst letzte Woche hatten wir neue Bombenschäden, und niemand ersetzt uns das.«
»Und das ist erst der Anfang«, bemerkte Gallagher.
»Bald wimmelt es an der Küste von Tommies und Yankees, die auf Ihr Vaterland zumarschieren, während die Russen von der anderen Seite anrücken. Sie können von Glück sagen, wenn Sie das Lokal halten können. Die vielen Reichsmark, die Sie da horten, sind bald nicht mehr als das Papier wert, auf dem sie gedruckt sind.«
Klinger fuhr sich mit der Hand über den Mund. »Hören Sie auf – ich bekomme noch Verdauungsstörungen.«
»Diese Art Geld aber wird nie an Wert verlieren.« Gallagher zog eine Münze aus der Tasche, warf sie in die Luft, fing sie auf und legte sie auf den Tisch.
Klinger griff danach und verzog ehrfürchtig das Gesicht. »Ein englischer Sovereign!«
»Richtig erkannt«, sagte Gallagher. »Ein Gold-Sovereign.«
Klinger biss auf der Münze herum. »Und absolut echt.«
»Haben Sie von mir etwas anderes erwartet?« Gallagher zog einen kleinen Leinenbeutel aus der Tasche und hielt ihn lok kend hoch. »Hier habe ich weitere neunundvierzig von der Sor te.«
Er legte den Beutel auf den Tisch, und Klinger schüttete die Münzen aus und betastete sie. »Na schön – was wollen Sie dafür?«
»Eine Seemannsuniform der Kriegsmarine«, antwortete Gal lagher. »Keine große Sache, würde ich sagen. Sie haben so etwas bestimmt stapelweise am Lager.«
»Unmöglich«, sagte Klinger. »Absolut unmöglich.«
»Ich erwarte dazu Stiefel, Seemannsmantel und Mütze. Wir führen im Gemeindesaal in St. Brelade ein Stück auf. Darin spielt ein deutscher Seemann die Hauptrolle. Er verliebt sich in ein Mädchen aus Jersey, und ihre Eltern…«
»Ach, hören Sie doch mit dem Unsinn auf!«, sagte Klinger unwirsch. »Theaterstück? Was für ein Stück soll das wohl sein?«
»Na schön«, sagte Gallagher achselzuckend. »Wenn Sie kein Interesse haben…«
Er begann, die Münzen in den Beutel zu fegen. Klinger legte ihm eine Hand auf den Arm. »Wissen Sie – die Geheime Feld polizei würde sich bestimmt sehr dafür interessieren, was Sie mit einer deutschen Uniform wollen, Herr General.«
»Natürlich, natürlich – nur werden wir ihr’s doch nicht sa gen, oder? Ich meine, Sie haben doch bestimmt keine Lust, dass die hier herumschnüffeln, oder? Der viele Schnaps und die Zigaretten im Keller und die Konserven. Und dann der Kaffee und Champagner.«
»Aufhören!«
»Wir haben zwar schon Frühling«, fuhr Gallagher erbar mungslos fort, »aber ich kann mir kaum vorstellen, dass der Dienst in einem Strafbataillon an der russischen Front sehr gesund ist.«
Die Drohung war offen ausgesprochen, und die Aussicht auf ein solches Schicksal abschreckend genug. Klinger saß in der Falle, wütend, dass er sich je mit dem Iren eingelassen hatte. Aber es hatte keinen Sinn, deswegen Tränen zu vergießen. Da war es schon besser, das Gewünschte
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