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Nacht der gefangenen Träume

Nacht der gefangenen Träume

Titel: Nacht der gefangenen Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Michaelis
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verfolgte seinen Auftritt von dem Beobachterposten auf der Kastanie aus – und sah die Sondersendung. Ein brauner Karton, mehrfach in Packpapier eingewickelt, von der Größe eines kleinen Koffers. Übersät mit VORSICHT-GLAS-Zeichen. HD Bruhns betrachtete das Paket eine Weile, drehte es in den langen, hageren Fingern …
    Frederic fiel fast von seinem Ast.
    Noch drei Sendungen , hatte Fyscher gesagt. Noch ungefähr acht Tage bis zur letzten Nacht der Träume.
    Irgendwo gibt es eine Schwachstelle in Bork Bruhns’ perfektem System der Traumbeseitigung, dachte Frederic. Und diese Schwachstelle musste er rechtzeitig finden. Wenn er nur gewusst hätte, was sich in dem Paket befand! Bruhns schob einen Finger zwischen die Lagen des Packpapiers, half dann mit den Zähnen nach und klappte schließlich den Deckel des Pakets auf. Darunter befanden sich mehrere flache, eckige Gegenstände, sorgsam in Folie gewickelt. Bruhns lächelte und verschwand mit langen dunklen Schritten über den Schulhof, seinen Schatz im Arm wie ein neugeborenes Kind, während die Pausenglocke schrill über den Hof kreischte. Frederic wartete, bis der HD unter den steinernen Eingangsengeln hindurchgegangen war, und wollte von der Kastanie klettern. Er würde Bruhns folgen und herausfinden, wohin er das Paket brachte.
    Seine Finger rutschten an den Ästen des Baumes ab, klebrig vom Schweiß. Sein Herz hatte es eilig. Er war ganz nahe an der Lösung. Ganz, ganz nahe …
    In diesem Moment quollen die ersten Kinder in den Schulhof, und Frederic stellte erstaunt fest, dass Josephine darunter war. Josephine, die es sonst nie eilig hatte, hinaus in den Hof zu kommen.
    In ihrem Gefolge schwammen Manuel und der starke Georg mit den Eisenarmen, und sie alle steuerten auf die Kastanie zu. Josephine setzte sich auf die Bank genau davor und Frederic verbiss sich einen lauten Fluch. Sicher, er konnte einfach hinunterklettern, sie ignorieren und an ihr vorbei ins Schulhaus gehen. Sie konnte ihn nicht daran hindern, oder? Er beobachtete, wie Josephines bissige Finger kleine Kerben in die Lehne der Bank nagten … nein, es war besser zu warten.
    Also wartete Frederic. Er wartete die ganze Pause hindurch, wartete, bis der Schulhof sich zu leeren begann. Doch Josephine machte keine Anstalten zu gehen. Als der letzte Lehrer den Hof verlassen hatte, stand sie ohne Eile von der Bank auf, legte den Kopf in den Nacken und sah in die Äste der alten Kastanie empor.
    »Na, Frederic?«, fragte sie. Die Blätter verbargen ihn nicht gut genug. »Ich hoffe, es ist nicht unbequem da oben?«
    »Danke, es geht«, sagte er.
    »Irgendwann wirst du aber herunterkommen müssen«, sagte Josephine.
    »Man kann nicht tagelang auf einem Baum sitzen«, fügte Manuel hinzu und stellte sich neben sie. »Nach einer Weile kann man sich nicht mehr festhalten.«
    »Oder vielleicht schüttelt so eine Kastanie einen von selbst hinunter«, knurrte der starke Georg und legte seine Eisenarme an den Stamm. Frederic fühlte einen Stich in der Magengegend.
    »He, macht keinen Quatsch«, sagte er, betont ruhig. »Wir müssen alle wieder zum Unterricht. Ihr wollt doch nicht Deutsch bei HD Bruhns verpassen?«
    »Er heißt Herr Direktor Bruhns«, verbesserte Josephine.
    »Ja, ja«, sagte Frederic. Die Wahrheit wurde ihm wie immer zu spät klar. Josephine und die anderen waren nicht zufällig hier. Sie hatten sich abgesprochen. Dies hier war es, was Josephine in Kahlhorsts Stunde geplant hatte; dies hier war der Feldzug, für den sie Zettel verschickt hatte. Frederics alte Freundin, die Kastanie, hatte sich in eine Falle verwandelt. Er versuchte, abzuschätzen, wie seine Chancen standen, zu springen und zu rennen.
    Josephine verschränkte die Arme. »Wir mögen es nicht, wenn jemand uns den Notendurchschnitt versaut«, sagte sie. »Das verstehst du doch, nicht wahr?«
    »Und wir mögen es nicht, wenn Leute aus dem Unterricht verschwinden und auf Bäume klettern«, sagte Manuel. »Es wirft ein schlechtes Licht auf unsere Klasse.«
    »Du wirst also verstehen«, erklärte Josephine mit eisiger Liebenswürdigkeit, »dass wir dir das nicht durchgehen lassen können. Du musst lernen, dich unterzuordnen.«
    Frederic suchte nach dem Mut, von dem er geglaubt hatte, ihn zu besitzen. Er konnte ihn nirgends finden.
    »Seid vernünftig«, sagte er und quälte sich ein Lächeln ab. »Geht vom Stamm weg und lasst mich runterklettern.«
    Josephine nickte. Sie machte den anderen ein Zeichen und die zwei Jungen traten einen

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