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Nacht der gefangenen Träume

Nacht der gefangenen Träume

Titel: Nacht der gefangenen Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Michaelis
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Oder, falls der Vater nicht da war, die Wohnung der Nachbarin. Wo die Nachbarin ihn überwachen konnte. Frederic schloss die Augen. Es war zu anstrengend, sie offen zu halten.
    »Ich glaube, er ist eingeschlafen«, hörte er Lisa flüstern. Er hatte nicht die Kraft, ihr zu widersprechen. Es war sicher keine schlechte Idee, ein wenig zu lauschen. Vielleicht war Kahlhorst doch ein Spion von Bruhns. Man konnte nie wissen.
    »Soll er ruhig schlafen«, wisperte Kahlhorst. »Bis sein Vater nach Hause kommt.«
    »Sein Vater arbeitet eine Menge.«
    Kahlhorst seufzte. »Er sollte weniger arbeiten. Er sollte sich mehr um seinen Sohn kümmern. Seine Noten werden rapide schlechter. Heute ist er aus meinem Unterricht verschwunden, einfach so. Hat gesagt, er ginge zur Toilette, und ist nicht wiedergekommen. Und dann das hier.«
    »Was ist überhaupt geschehen?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte Kahlhorst. »Sieht aus, als wäre der arme Kerl in eine saftige Schlägerei geraten. Dabei kommen Schlägereien selten vor auf St. Isaac. Eigentlich … nie. Was ist das für ein Typ, dieser Vater? Warum kümmert er sich nicht um Frederic?«
    »Ich glaube«, sagte Lisa nachdenklich, »er versucht es. Aber es geht grundsätzlich schief. Er spricht fast gar nicht, wissen Sie. Ein seltsamer Mensch.«
    Ihr Gespräch entfernte sich in die Küche. Kahlhorst, dachte Frederic, war entweder ein hervorragender Schauspieler, oder er machte sich tatsächlich Sorgen um ihn. Frederic hörte, wie er sich umständlich von Lisa verabschiedete und genauso umständlich aus dem Fenster kletterte. Kurz darauf klopfte es.
    »Herr Lachmann«, sagte Lisa. Frederic zuckte zusammen.
    »Da war ein Zettel von Ihnen … oben … an unserer Tür!«, keuchte Hendrik. »Ich bin gleich wieder heruntergekommen … was … ist passiert?«
    »Das wüsste ich auch gerne«, sagte Lisa. »Sein Lehrer hat ihn hergebracht. Irgendwie hat er sich geprügelt, aber wir wissen nicht, mit wem.«
    »Mit niemandem«, sagte Frederic und setzte sich auf. Die beiden zuckten zusammen, als hätte er sie bei etwas Verbotenem ertappt. »Ich habe mich mit niemandem geprügelt«, wiederholte er. »Ich bin vom Kastanienbaum gefallen.«
    Hendrik schien zu überlegen. Dann nickte er langsam. »Vom Kastanienbaum«, wiederholte er. »Ach so.«
    Er fand den Zettel in seiner Hosentasche, als er am Abend in sein eigenes Bett schlüpfte. Darauf war eine Zeichnung von einem Strichmännchen mit einer Kugel am Bein, und daneben stand eine Nummer. Frederic holte sich das Telefon aus dem Wohnzimmer, wo Hendrik in sein Buch vertieft war. Hendrik fragte ihn nicht, wen er anrief oder warum.
    »Bist du wieder wach?«, wollte Änna wissen.
    »Nein«, sagte Frederic. »Ich schlafe noch.«
    Sie lachte.
    »Warum hat sie das getan, Frederic? Josephine. War sie es allein?«
    »Sie hat ihre Helfer. Sie hat gesagt, ich versaue den Notendurchschnitt der Klasse. Aber darum ging es nicht. Sie ahnt etwas. Sie weiß von der Maschine. Von den Träumen. Sie geben ihr Erdbeerpudding, als Belohnung dafür, dass sie die anderen bespitzelt.«
    »Irre«, sagte Änna. »Sie gibt ihre Träume für Erdbeerpudding her?«
    »Es gibt nichts, was so dumm ist, dass nicht irgendjemand es tun würde.« Er seufzte. »Hast du das braune Paket gefunden? Bei Bruhns im Rektorat?«
    »Nein. Ich habe nachgesehen, ehe ich Kahlhorst geholt habe. Ich hatte furchtbare Angst, ich würde Bruhns dort treffen. Aber es war gar niemand da. Weder Bruhns noch das Paket. Im Schrank gab es nur Akten.«
    Frederic überlegte. »Was machst du gerade?«
    »Ich telefoniere mit dir.«
    »Danke, das ist mir aufgefallen. Und sonst? Wo bist du?«
    »Ich liege im Bett.«
    »Kannst du dich aus dem Haus schleichen, ohne dass deine Eltern es merken?«
    Dumme Frage. Ihre Eltern waren blind. Auch wenn sie es nicht wussten.
    »Wie? Jetzt? Mitten in der Nacht?«
    »Wir müssen zurück zu der Fabrikhalle. Vielleicht hat Bruhns das Paket dorthin gebracht. Es gehört offensichtlich zu einer ganzen Sammlung an Paketen … nur zwei Sendungen fehlen noch, bis …«
    »Bis was?«
    »Das ist es, was wir herausfinden müssen.«
    »Wie willst du in die Halle kommen? Sie ist sicher abgeschlossen, oder?«
    »Ich werde. Das reicht.«
    »Du bist verrückt! Du hast bestimmt eine Gehirnerschütterung.«
    »Ach was«, sagte Frederic. »Nur ein paar Beulen. Und zwei hübsche blaue Augen. Ich bin gegen halb zwölf bei dir. Bis dahin sollte mein Vater schlafen, und deine Eltern auch.«
    Zwei

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