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Nacht der gefangenen Träume

Nacht der gefangenen Träume

Titel: Nacht der gefangenen Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Michaelis
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sie sich niemals leisten können. Von Frederic aus hätten sie sich das restliche Drittel auch schenken können. Er wäre genauso gerne auf der alten Schule geblieben.
    »Aber St. Isaac ist eine Chance«, hatte Hendrik gesagt. »Ich hatte keine solche Chance. Wenn ich eine gehabt hätte, würde ich jetzt nicht Computer reparieren.«
    »Sondern?«, hatte Frederic gefragt. »Auf St. Isaac sind sie jedenfalls nicht clever genug, um ihre Computer selbst in Ordnung zu bringen. Ich meine: Was kann man heutzutage Besseres sein als Computerreparierer?«
    Ein Seufzen. »Später wirst du mich verstehen. Mit einem Abschluss von St. Isaac kannst du studieren, was du willst. Du kannst – Chefarzt werden. Oder Architekt. Oder Forscher.«
    »Ich werde Erfinder«, hatte Frederic leise gemurmelt. »Sowieso.«
    »Wie bitte?«
    »Ich habe gesagt, ich werde Fußpfleger«, hatte er gesagt; diesmal lauter und nur, um Hendrik zu ärgern. »Du verschwendest unser Geld.«
    Das Gespräch lag vier Wochen zurück, und an diesem Montag nahm sich Frederic vor, es bei Gelegenheit zu wiederholen. Vielleicht konnte er Hendrik doch noch davon überzeugen, die Sache mit St. Isaac aufzugeben.
    Frederics Vater war nicht im Sekretariat. Auch die Sekretärin saß nicht auf ihrem Sekretärinnenstuhl. Nur eine Tasse kalter Kaffee langweilte sich ganz allein neben einem verfaulenden Parmaveilchen auf der Fensterbank ( Parma-Faulchen, dachte Frederic). Aus dem Fenster konnte man hinter der Schulhofmauer und den Bäumen den zerfressenen Dachstuhl des Abrisshauses sehen. Die gelb belaubten Birken zwischen seinen Balken bogen ihre Äste im Wind.
    Frederic blieb einen Augenblick lang unschlüssig stehen. Aus dem Rektorat nebenan drangen leise Stimmen. Er trat an die Tür, die einen Spaltbreit offen stand, und lauschte. War Hendrik dort? Frederic erkannte die Stimme von HD Bruhns und eine andere, jüngere Stimme. Änna. Ihre Stimme bewegte sich jetzt auf die Tür zu. Und dann verstand Frederic einzelne Worte.
    »… weiß ich auch nicht, Herr Direktor«, sagte Änna leise.
    »Mich wundert, dass es sich nur um das Fach Sport dreht«, erklärte Bruhns. »In allen anderen Fächern gibt es ja keine Probleme. Wie kann man nur in Sport schlecht sein? Sport ist doch ein schönes Fach. Wir wollen, dass alle unsere Schüler überall gut sind. Das gehört zum Prinzip von St. Isaac. Herr Fyscher sagt, du würdest dich weigern, einen Schwebebalken zu betreten.«
    »Ich falle hinunter«, sagte Änna noch leiser als zuvor, aber sehr deutlich. Sie meinte es ernst.
    »Ach was. Kein Mensch fällt von einem Schwebebalken.«
    »Es ist schon passiert.«
    »Unsinn! Reiß dich ein bisschen zusammen. Vielleicht sollten wir dich zur Krankengymnastik schicken.«
    »Ja, Herr Direktor.« Schritte näherten sich der Tür.
    »Und heb um Himmels willen beim Gehen die Füße, Mädchen!«
    »Ja, Herr Direktor.«
    Die Tür öffnete sich abrupt – Frederic stieß beinahe mit Änna zusammen und taumelte zurück. Hinter ihr tauchte Bruhns auf, das Gesicht noch gerötet vom Ärgern.
    »Aha«, zischte er. »Welche Ehre. Frederic der Träumer.«
    »Ich – äh – wollte nur fragen«, stotterte Frederic, »ob mein Vater – äh – hier ist.«
    Er warf einen schnellen Blick in Bruhns’ geometrisch geordnetes Zimmer. An den Wänden hingen die Diplome und Urkunden ehemaliger Schüler von St. Isaac. Auf dem klobigen Schreibtisch lag eine Packung Gummiknochen für Hunde. Frederic hatte nicht gewusst, dass HD Bruhns zu Hause einen Hund besaß. Hoffentlich war er zu dem Hund netter als zu seinen Schülern.
    »Siehst du deinen Vater irgendwo?«, blaffte Bruhns.
    »Nein.«
    »Dann wird er wohl nicht hier sein, nehme ich an«, erwiderte der HD giftig und schloss die Tür vor Frederics Nase. Frederic verließ die abgestandene Luft des Sekretariats, das Parmafaulchen und den kalten Kaffee und trat zurück in den kühlen Gang. An seinem Ende schlurfte Ännas kleine, gebeugte Gestalt. Und in diesem Moment war es Frederic, als müsste er noch etwas dort sehen. Etwas, das sie dazu brachte, zu schlurfen. Etwas Geheimnisvolles, Ungewisses.
    Er blinzelte, sah noch einmal hin – Änna war fort, die Treppe hinunter verschwunden. Er überlegte, ob er ihr nachgehen sollte – doch da legte jemand von hinten eine Hand auf seine Schulter. Frederic fuhr erschrocken herum. Er erwartete Bork Bruhns’ hageres Gesicht über sich, aber das Gesicht, in das er blickte, gehörte seinem Vater. Er musterte Frederic mit

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