Nacht der Geister
Freie trat, kamen zwei der anderen Bewohner aus ihren Häusern und versuchten offenbar zu sehen, was er da trieb. Er fauchte etwas und verschwand wieder im Wald.
Einer der beiden folgte ihm. Der Vogelmann er schoss von einer Seite zur anderen, hielt sich dicht an Bäumen und Bü
schen, jederzeit bereit, beim ersten Anzeichen, dass Dachev sich umsah, in Deckung zu gehen.
Dachev war in den dämmerigen Wald verschwunden, bevor sein Verfolger auch nur den Waldrand erreicht hatte. Der Vogelmann ging in die Hocke und wartete dort, bis Dachev etwa eine halbe Stunde später zurückkam er musste das kleine Waldstück durchsucht haben. Ich hoffte, seine Rückkehr würde den Vogelmann verscheuchen, aber der versteckte sich im Gebüsch, ließ ihn vorbei und spähte dann hinter ihm her.
Dachev musterte kurz das Dorf und kehrte in den Wald zurück.
Es wurde Zeit für einen neuen Plan.
Ich schob mich auf meinem Ast entlang und suchte mir ein paar möglichst reißfeste Lianen, die ich aufrollte und mir griffbereit an der Wade festband. Als Nächstes zog ich eine Socke aus und stopfte sie mir in die Hosentasche.
Ich glitt an dem Baum hinunter, bis ich den untersten Ast erreicht hatte, der mich noch tragen würde. Dann schob ich mich im Schutz der Blätter auf dem Ast vorwärts, so weit ich es wagte. Ich brach einen Zweig ab und ließ ihn fallen. Er blieb im Laub weiter unten hängen. Ich riss einen weiteren Zweig ab, beugte mich vor, so weit es ging, und warf ihn hinunter. Er landete im trockenen Unterholz; das Prasseln kam mir vor wie ein Gewehrschuss. Der Vogelmann schoss aus seinem Versteck hoch und sah sich mit ruckartigen Kopfbewegungen um. Ich ließ einen dritten Zweig fallen. Er tat einen Schritt in meine Richtung. Dann noch einen. Ein weiterer Schritt, und ich ließ mich auf ihn hinunterfallen.
Als ich auf seinem Rücken landete, rammte ich ihm den Unterarm gegen den Mund. Er biss zu, hart genug, dass ich mich fragte, ob ich jetzt das nächste Stück Fleisch verlieren würde.
Ein kurzes Gerangel, dann hatte ich meinen Arm losgerissen und ihm stattdessen die Socke in den Mund gestopft. Ich fesselte ihn und schnürte ihn an dem Baumstamm fest. Irgendwann würden sein Stöhnen und sein Gezappel Dachev aufmerksam machen, aber ein paar Minuten blieben mir bestimmt.
Ich hielt mich auf dem Weg zu Dachevs Haus so lang wie möglich im Schutz des Waldes. Am Himmel stand ein voller Mond, und ich wagte nicht, zur Haustür zu gehen, also schlich ich mich zu einem offenen Seitenfenster. Als ich hindurchkletterte, hörte ich jemanden durch den Wald gehen. Ich machte einen Satz, landete mit einem dumpfen Aufschlag auf dem Fußboden und sprang auf. Ich war im Wohnzimmer. Dachev hatte gesagt, die Luke zu dem Kellerraum sei unter seinem Bett.
Ich stürzte durch die einzige Tür ins Schlafzimmer, packte das Bettgestell und zerrte es zur Seite; dann griff ich nach der Kante des Lukendeckels. Draußen stürmten Schritte den Fahrweg entlang. Ich riss die Luke auf und sprang hindurch.
43
D achevs »Keller«war nichts weiter als ein niedriger Hohlraum, in dem man kaum auf allen vieren kriechen konnte.
Wenn ich mich umdrehen wollte, musste ich mich zusammenkauern und den Kopf einziehen.
Im Erdgeschoss war das Mondlicht hell genug gewesen, um etwas zu sehen. Hier unten war es stockfinster. Ich sprach eine Lichtkugelformel. Sie hielt kaum eine Sekunde lang vor, was gerade eben reichte, um mir einen einzigen Blick auf Erdwände zu gestatten. Ich versuchte es wieder, und das Gleiche passierte. Im Leben hatte ich die Lichtkugel immer für Kinderkram gehalten. Seit ich in der nicht elektrisierten Geisterwelt eingetroffen war, hatte ich sie ständig verwendet; es musste also an den Bedingungen hier liegen, dass das Licht ausging. Ich versuchte es noch zwei weitere Male und gab dann auf.
Dachev hatte gesagt, das Buch würde auf einem Brett links unter der Luke liegen. Aber das Einzige, was ich dort ertastete, war ein Geflecht aus dünnen Wurzeln. Als ich mit den Fingern über sie strich, schlug oben die Haustür zu. Ich drehte mich um, so schnell ich konnte, und tastete die rechte Seite der Wand ab.
Meine Finger verfingen sich in Wurzeln, und Dreck sammelte sich unter meinen Nägeln, aber ich spürte nichts, das an ein Brett oder ein Buch erinnert hätte.
Ich sprach die Lichtformel noch einmal. Und noch einmal.
Und jedes Mal erhaschte ich einen sekundenlangen Blick auf Erde und Wurzeln.
Schritte durchquerten das Wohnzimmer. Ich kroch
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