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Nacht der Geister

Nacht der Geister

Titel: Nacht der Geister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelley Armstrong
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fand sie im Wohnzimmer; sie saß in einem Sessel meinem Sessel und starrte ins Nichts. Zunächst glaubte ich, dass sie das Nachbild der weinenden Frau gesehen hatte, aber sie sah nicht in Richtung Esszimmer. Sie starrte geradeaus, und ihre Augen waren so blicklos wie die einer Schaufensterpuppe.
    »Da bist du ja«, sagte ich im Hereinkommen.
    »Nein!« Die Nixe sprang auf, ihre Lippen verzogen sich zu einem Fauchen. »Verschwinde!«
    Ich spielte einen erschrockenen Schritt rückwärts. »Jaime?
    Sag mal, ist alles in Ordnung?«
    Ihr Blick flog zu mir herüber; sie runzelte die Stirn, als hätte sie mich eben erst bemerkt.
    »Was?«, schnappte sie. Dann ein hastiges Zwinkern. »Oh, Paige. Es tut mir leid.«
    »Macht irgendein Geist Ärger?«, fragte ich.
    Wieder ein schneller, überraschter Lidschlag. Dann ein kurzes, heftiges Kopfschütteln, das in ein Nicken und ein schiefes Lächeln überging. »Yeah. Du weißt ja Bescheid. Die lassen uns nie in Frieden. Bist du fertig mit der Arbeit?«
    »So ziemlich. Ich wollte nur schnell nachsehen, ob wir irgendwas in der Tiefkühltruhe haben, das sich als Nachtisch eignet. Da müsste noch irgendwo Kuchen sein.«
    »Klingt gut.«

    »Wenn Lucas oder Savannah reinkommen, sag ihnen doch, dass ich unten bin. Im Keller. Kann eine Weile dauern diese Truhe ist vollgestopft bis zum Rand.«
    Sie nickte und setzte sich wieder hin; ihre Augen wurden blicklos, als hätte sie bereits vergessen, dass ich da war. Ich ging zur Kellertreppe. An der Hintertür warf ich einen Blick ins Freie. Lucas bemerkte mich und sah zu mir herüber. Ich teilte ihm mit einer Geste mit, dass ich in den Keller ging, und er nickte.
    »Ich gehe jetzt runter«, murmelte ich. »In den dunklen Keller.
    Ganz allein.«
    Eine Sekunde lang glaubte ich, Kristofs leises Lachen zu hören, aber das Geräusch wurde zu dem Aufprall eines gedribbelten Basketballs in der Einfahrt.
    Unten im Keller musste ich nach der Tiefkühltruhe suchen.
    Ich wusste genau, dass es hier irgendwo eine gab, und ich war mir ziemlich sicher, es würde ein Obstkuchen drin sein. Hausgemacht wahrscheinlich. Wie Paige die Zeit für so etwas fand, war mir ein Rätsel. Ich hatte sie nie gefunden. Nun hatte ich es natürlich auch nie probiert.
    Irgendwann fand ich die Truhe. Und sie war so voll, wie ich angenommen hatte. Ich fand einen ganzen Stapel von Kuchen, also schob ich ein Brot darüber, um ihn zu verstecken, und tat dann so, als wühlte ich. Oben blieb es still.
    »Jetzt komm schon«, murmelte ich. »Das ideale Opfer, den Kopf praktischerweise schon in der Kühltruhe. Worauf wartest du eigentlich? Darauf, dass ich hier drin genug Platz für meine eigene Leiche frei räume?«
    Ich hatte das kaum ausgesprochen, als ich über mir Schritte hörte.

    »Wurde auch Zeit. Beeil dich, bevor ich hier Frostbeulen bekomme.«
    Die Schritte durchquerten die Küche, stiegen die paar Stufen zum Hintereingang hinunter und hielten inne wahrscheinlich vergewisserte sich die Nixe, dass Lucas und Savannah draußen beschäftigt waren. Ich schob zwei Dosen mit Keksteig in der Gegend herum. Mit Schokoladenstückchen. War der nach Ruths Rezept entstanden? Mmm. Es musste zwanzig Jahre her sein, seit ich ihre Kekse gegessen hatte. Vielleicht konnte ich ein paar davon
    Die Schritte brachen ab.
    »Ich weiß, dass hier irgendwo Kuchen ist«, murmelte ich.
    Paige war nicht der Typ, der Selbstgespräche führt, aber die Truhe stand hinter einer Ecke, und vielleicht hatte die Nixe Schwierigkeiten, mich zu finden.
    Aber es verging mindestens eine Minute, ohne dass etwas geschah. Das Gesicht nach wie vor zur Kühltruhe gewandt, sah ich zur Seite, so weit ich konnte.
    Die nackte Glühbirne an der Decke warf meinen Schatten und den der Waschmaschine auf den Fußboden. Aber keinen jaimeförmigen Schatten. Dreißig Sekunden lang stand ich da, den Hals unbequem verrenkt, und beobachtete den Fußboden. Schließlich gab ich es auf, schloss leise den Deckel der Kühltruhe und glitt an der Wand entlang in Richtung Tür, um vorsichtig einen Blick auf die Treppe hinauszuwerfen. Keine Spur von der Nixe.
    Ich hatte sie ganz entschieden auf der Treppe gehört. Sie war nicht nach unten gekommen, aber ich war mir einigermaßen sicher, dass sie weiter gegangen war als bis zu dem Treppenabsatz an der Hintertür. Was hatte Lucas doch gleich gesagt? »Ziemlich sicher« war in Anbetracht der Umstände nicht gut genug?
    Okay, »einigermaßen sicher« war dann wirklich zu wenig. Sie konnte längst

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