Nacht der Geister
wieder nach oben gegangen sein, während ich noch damit beschäftigt gewesen war, Dosen mit gefrorenem Plätzchenteig zu beäugen.
»Nein!«
Ich fuhr zusammen und wäre beinahe hinter der Ecke herausgestolpert.
»Ich hab nicht gefragt Nein! Dies gehört mir!«
Es war die Nixe, das vollkommen jaimeuntypische Fauchen, das ich schon oben gehört hatte. Die Stimme kam von der Treppe her. Mit wem redete sie da? Nicht mit Lucas oder Savannah, so viel stand fest nicht in diesem Ton.
Ein Knurren, bei dem sich mir die Härchen auf den Armen aufstellten, dann schwere Schritte, als sie wieder hinaufging.
Die Hintertür quietschte. Ich rannte aus meinem Versteck zum Fuß der Treppe.
»Jaime? Bist du das?«
Sie ging weiter und ließ die Tür hinter sich zufallen. Ich galoppierte die Treppe hinauf und in den Garten hinaus. Als ich dort ankam, stand sie neben der Einfahrt. Lucas brach mitten im Wurf die Bewegung ab, und der Ball rollte ihm aus der Hand. Savannah kicherte hämisch und stürzte sich darauf.
Dann sah sie uns und hielt inne.
»Jaime!«, rief ich, während ich hinter ihr hertrabte.
Sie ignorierte mich.
»Was ist los?«, flüsterte Savannah.
Ich holte die Nixe ein und berührte ihren Arm, aber sie schüttelte mich ab und knurrte etwas davon, dass sie frische Luft brauchte. Als ich mich umdrehte, fing Lucas meinen Blick auf und gab mir zu verstehen, ich sollte sie gehen lassen.
»Es wird Zeit, die Pizza zu bestellen«, sagte er, während er den Ball aufhob. »Wer will was? Pizza Hawaii? Die hatten wir seit einer ganzen Weile nicht mehr.«
»Puh«, sagte Savannah, während sie ihm den Ball aus der Hand riss. »Die hatten wir nicht, weil ich Ananas hasse.«
»Wirklich?«, gab er zurück. »Ich glaube gesehen zu haben, dass du gestern Abend Ananas auf deinen Bananensplit getan hast.«
»Das war, weil Bananensplit süß ist und Ananas auch. Pizza ist nicht süß. Süßes Zeug und nicht süßes Zeug mischt man nicht. Das ist einfach eklig.«
»Aber du tust immer Pflaumensauce auf dein Hühnchen, und das ist nun entschieden ein Fall des Mischens von Süßem und nicht Süßem. Insofern sieht es so aus, als sei deine Logik «
»Oh, hör schon auf.« Sie schmetterte den Ball in seine Richtung. »Ich gehe Pizza bestellen.«
Sie schleuderte ihr Haar zurück und marschierte davon; Jaime schien vollkommen vergessen.
»Gutes Ablenkungsmanöver«, sagte ich. »Du kommst wirklich gut mit ihr klar.«
Er nickte nur und legte den Ball an seinen Platz zurück.
Ich hatte mich oft gefragt, wie es für Lucas sein musste, diese Doppelpackung.
Als er Paige wollte, hatte er auch Savannah nehmen müssen. Wie viele Männer hätten sich mit fünfundzwanzig Jahren auf so etwas eingelassen? Nicht nur die Belastung akzeptiert, die es bedeutete, einen Teenager im Haus zu haben, sondern zugleich auch die Stiefvaterrolle? Ja, okay, ich habe ein paar fünfundzwanzigjährige Typen gekannt, die sicher nichts dagegen gehabt hätten, ein Mädchen im Teenageralter anvertraut zu bekommen, aber bei Lucas war derlei nie auch nur in Frage gekommen.
Vom ersten Tag an war er genau das gewesen, was Savannah brauchte eine Kombination aus Vaterfigur und großem Bruder, der ihre ideologischen Konflikte mit Paige ausglich.
Ich hätte mich gern bei ihm bedankt. Wirklich. Aber mir fiel keine Möglichkeit ein, dies zu tun, ohne ihn in Verlegenheit zu bringen . . . und mich wahrscheinlich auch.
»Ich glaube, es ist ein Geist«, sagte ich, als Lucas zurückkam.
»Hmm?«
»Was da mit der Nixe los ist. Sie hat sich da drin ziemlich merkwürdig aufgeführt, hat ins Nichts gestarrt und sich selbst angefahren. Wenn ich Paiges Fähigkeiten habe, dann muss sie Jaimes haben, und das heißt, sie sieht wahrscheinlich einen Geist. Als ich es erwähnt habe, hat sie sich richtig erschreckt
vielleicht war ihr vorher nicht klar, dass es das war.«
Er nickte. »Es ist möglich. Es könnte auch Jaime selbst sein.«
»Die versucht, sich ihren Körper zurückzuholen, meinst du?«
Wieder ein Nicken. Er sah zu mir hin. »Weiß Paige Bescheid?« Er räusperte sich, um den besorgten Ton aus seiner Stimme zu eliminieren. »Ich meine damit, du hast es ihr ja wohl erklärt, oder? Was du mit ihr gemacht hast?«
»Äh, nein. Ich konnte nicht glaub mir, sonst hätte ich es getan.«
»Sie weiß also gar nicht, was hier vor sich geht.« Er rückte seine Brille zurecht und sah wieder zu mir herüber. »Gibt es eine Möglichkeit, es sie wissen zu lassen? Nach ihr zu
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