Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nacht der Geister

Nacht der Geister

Titel: Nacht der Geister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelley Armstrong
Vom Netzwerk:
sie sich also . . . « Seine Stimme verklang; seine Stirn legte sich in Falten.
    »Ist es das Schwert? Gegen das Schwert hätte ich wirklich nichts einzuwenden.«
    Ein winziges Lächeln. »Nein, das Schwert ist ein Werkzeug.
    Auch das bekommst du, wenn du aufsteigst «
    »Aufsteigst?«
    »Ja. Die Gabe ist eine Fähigkeit. Nicht unbedingt vonnöten bei den meisten Aufgaben eines Engels, aber Janah glaubt offensichtlich, dass du sie für diese hier brauchst, und bevor du sie nicht hast, wird sie nicht reden. Aber du wirst sie nicht bekommen, bevor du nicht aufgestiegen bist, und du wirst nicht aufsteigen, bevor du deine Antrittsqueste nicht bestanden hast.«
    »Bestanden? Meinst du, ich bewerbe mich hier um den Engeljob?«
    »Das ist nichts, um das man sich bewerben könnte. Man muss ausgewählt werden, und wenn man ausgewählt wurde, muss man eine erste Queste bestehen. Die Nixe zu finden ist deine.«
    »Ich löse hier ein Versprechen ein, ich lege keine Eingangsprüfung ab. Die Parzen haben mir vor ein paar Jahren einen Gefallen getan, einen sehr großen Gefallen, und mit dieser Sache hier wollen sie ihn erwidert haben.«

    »Vielleicht habe ich mich ja geirrt.«
    Sein Tonfall teilte mir mit, dass er das keine Sekunde lang glaubte, aber ich unterdrückte das Bedürfnis, eine Diskussion anzufangen. Die Parzen würden ihn irgendwann aufklären.
    Vielleicht hatten sie ihn auch absichtlich im Ungewissen gelassen vielleicht gingen sie davon aus, Trsiel würde einem künftigen Mitengel eher helfen als einer bloßen Kopfgeldjägerin.
    »Diese Gabe«, sagte ich. »Was ist das also? Sehen wir doch mal, ob wir «
    »Sehen!« Er setzte sich ruckartig in seinem Sessel auf. »Das ist es. Dein Vater ist Balam, stimmt’s?«
    »Hat man mir jedenfalls gesagt.«
    »Das erklärt, weshalb die Parzen glauben, dass wir das Problem umgehen können.« Ein leichtes Stirnrunzeln. »Vermute ich jedenfalls.« Das Stirnrunzeln vertiefte sich; dann stand er rasch auf. »Wir werden das überprüfen müssen.«
    Er griff nach meinem Arm, und der Raum verschwand.
    Wir landeten in einem langen, grauen Gang, der nach Schweiß und Ammoniak stank. Ein junger Mann in einem orangefarbenen Overall wischte den Boden auf, indem er Wasser ziellos in der Gegend verteilte und eine Schicht Seife über den Boden schmierte, ohne jegliches Interesse daran, die darunter liegende Oberfläche zu säubern. Am Ende des Gangs öffnete sich eine Tür, und zwei bewaffnete Wachmänner kamen heraus. Der junge Mann packte den Stiel seines Schrubbers fester und legte an Eifer sichtlich zu; er machte sich sogar die Mühe, dabei zu pfeifen.

    »Was für eine Gabe ist das also genau?«, fragte ich wieder.
    »Das wirst du sehen . . . hoffe ich jedenfalls.«
    Trsiel führte mich durch die Tür, durch die die beiden Wachmänner gekommen waren. Auf der anderen Seite lag eine riesige, hangarartige Halle, auf beiden Seiten flankiert von Gefängniszellen in zwei Stockwerken übereinander.
    »Äh, irgendwelche Tipps?«, fragte ich.
    Trsiel blieb nicht stehen. »Wenn ich dir sage, womit du zu rechnen hast, wirst du damit rechnen.«
    »Aha.«
    Er marschierte weiter, ohne einen Blick nach rechts oder links zu werfen. Wir gingen durch zwei Panzertüren und kamen in einen weiteren Gang. In dem Augenblick, in dem wir die Tür passiert hatten, wurde es unnatürlich still, und die Temperatur fiel ab, als hätten wir eine klimatisierte Bibliothek betreten.
    Aber selbst in einer Bibliothek hört man immer Geräusche
    das stetige Hintergrundgemurmel von unterdrücktem Husten, raschelndem Papier und rückenden Stuhlbeinen. Hier gab es nichts dergleichen. Es war, als habe das Leben ausgesetzt und wartete mit angehaltenem Atem.
    Als wir uns dem Ende des Gangs näherten, hörten wir gedämpfte Geräusche das Klappern eines Tellers, einen gemurmelten Fluch, das Schlurfen von Füßen auf Beton. Dann einen noch leiseren Laut, eine Stimme. Ein Flehen, das fast ein Schluchzen war. Jemand betete.
    Wir betraten einen einstöckigen Zellenblock, der anders aussah als die anderen. Auf der Eisbahn hatte ich in dem Gefühl von Kälte geschwelgt. Hier ging mir die Kälte geradewegs bis auf die Knochen, und sie hatte wenig mit der Klimaanlage zu tun.

    Jede Zelle hier enthielt nur ein Bett, und wir waren an zwei leeren Zellen vorbeigekommen, bevor wir auf einen Insassen stießen, einen Mann Ende zwanzig, den Kopf gesenkt, das Gesicht verborgen; er war es, der betete. Die Worte stürzten hervor, fast zusammenhanglos;

Weitere Kostenlose Bücher