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Nacht der Geister

Nacht der Geister

Titel: Nacht der Geister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelley Armstrong
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seine Stimme war heiser, als habe er seit Tagen gebetet und erwartete keine Antwort mehr, sei aber noch nicht bereit, die Hoffnung aufzugeben. Er betete, als habe er unendlich viel zu sagen und nur noch wenig Zeit, um es zu tun.
    »Todestrakt«, murmelte ich.
    Trsiel nickte und blieb vor der Zelle des Mannes stehen. Er wurde vollkommen still, dann schüttelte er scharf den Kopf und ging weiter. »Wir brauchen jemanden, an dem wir dies überprüfen können. Jemanden, der schuldig ist.«
    »Der schul. . . Meinst du damit, er ist unschuldig?«
    Mein Blick glitt zurück zu dem betenden Insassen. Ich bin nie das gewesen, was man einen religiösen Menschen nennen könnte. Ich habe mich gelegentlich durchaus etwas abfällig über den Glauben geäußert und über diejenigen, die sich in ihn flüchten. Es gibt zu viele Leute, die ihr hiesiges Leben damit verbringen, sich einen guten Platz im Jenseits zu sichern, statt sich um das zu kümmern, was sie haben. In meinen Augen sieht das nach Faulheit aus. Wenn einem das eigene Leben nicht passt, dann bringt man es in Ordnung; man fällt nicht auf die Knie und betet darum, dass jemand einem beim nächsten Mal etwas Besseres gibt.
    Aber hier, als ich den Mann beten sah, so inbrünstig, mit so viel Leidenschaft, Verzweiflung und blinder Hoffnung, konnte ich nicht anders, als eine Spur Entrüstung zu verspüren.

    »Ist das nicht das, was ihr Typen angeblich macht?«, rief ich hinter Trsiel her. »Unrecht gutmachen? Der Gerechtigkeit Genüge tun?«
    Er wurde langsamer, drehte sich aber nicht um.
    »Diese Rechtsprechung gehört in die Welt der Lebenden«, sagte er ruhig. »Wir können die Dinge nur ändern, nachdem sie sie vollzogen haben. Er wird seine Freiheit sehr bald bekommen, auf der anderen Seite.«
    Trsiel stand jetzt zwischen zwei Zellen. In jeder davon saß ein Mann. Einer von ihnen war um die fünfzig, sah aber zwanzig Jahre älter aus, mit hängenden Schultern, grauem Haar und faltig herabhängender Haut als habe er in kurzer Zeit viel Gewicht verloren. Der zweite Mann war etwa dreißig und saß über einen Block gebeugt, auf den er so hektisch schrieb, wie der erste Mann gebetet hatte.
    Trsiel musterte beide und nickte dann zu dem Schreibenden hin. »Er wird es tun. Ich werde als Katalysator dienen.
    Durch mich wirst du sehen, was ich sehe, indem du eine höhere Ebene der AspicioKräfte verwendest. Gib mir die Hand.«
    Ich streckte den Arm aus und packte seine Finger.
    »Ich bin mir nicht sicher, ob oder wie gut es funktionieren wird«, sagte er. »Sei also geduldig . . . und vorbereitet.« Er wandte seinen Blick wieder dem Mann zu. »Jetzt.«
    Eine Welle der Emotion ging durch mich hindurch, die so stark war, dass sie sich anfühlte wie ein körperlicher Schlag. Ich versuchte mich freizukämpfen, aber die Strömung zerrte mich in einen tobenden Strudel hinunter und spuckte mich dann . . .
    in ein Kinderzimmer. Das Kinderzimmer eines Riesen mit hochragenden Wänden, Teddybären, so groß wie Grizzlys, und einem Schaukelstuhl, auf den ich kaum hätte klettern können.
    Am anderen Ende des Zimmers stand eine riesige Frau neben einem Kinderbett.
    »Momma!«
    Das schrille Flehen pfiff mir aus der Kehle. Es war nicht meine Stimme, sondern die eines kleinen Kindes im Vorschulalter, in dem es noch schwierig ist, Jungen und Mädchen zu unterscheiden.
    »Momma!«
    »Pssst«, sagte die Frau leise, während sie mir über die Schulter zulächelte. »Lass mich das Baby füttern. Dann lese ich dir vor.«
    »Nein! Lies jetzt!«
    Sie winkte mich fort und beugte sich über das Babybett.
    »Nein, Momma! Ich! Ich, ich, ich!«
    Das Baby brüllte. Ich brüllte lauter, aber trotzdem übertönte es mich. Ich knirschte mit den Zähnen und heulte, ich stampfte mit den Füßen und brüllte. Und immer noch hörte sie nur ihn.
    Sah nur ihn. Immer ihn. Ich hasste ihn. Hasste, hasste, hasste.
    Wollte ihn nehmen und zerschmettern, wie eine Puppe, bis er zerbrach und
    Das Kinderzimmer verschwand.
    Eine Katze jaulte; das Geräusch schien mir mitten ins Hirn zu dringen. Ich lachte. Das Lachen eines Jungen an der Schwelle zur Pubertät. Gebäude ragten auf beiden Seiten auf und machten den Tag vorzeitig zur Nacht. Ein Durchgang. Ich ging daran entlang und lachte vor mich hin. Die Katze jaulte wieder, ein panisches Kreischen wie von einem Baby . . . einer Frau. Sie hatte das Ende des Durchgangs erreicht und versuchte an der Mauer hochzuklettern; ihre Krallen scharrten an den Backsteinen. Der Gestank von

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