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Nacht der Geister

Nacht der Geister

Titel: Nacht der Geister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelley Armstrong
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die nur Gewalt respektierten. Gewalt wurde zu einem Werkzeug, das ich mit kaum mehr Bedenken benutzte, als wenn ich eine Machete eingesetzt hätte, um mir einen Weg durch den Dschungel zu bahnen.
    Aber was ich auf diesen Ausdrucken an Gewalttätigkeit fand, hatte nichts mit dem Ausschalten von Feinden oder dem.
    Kampf ums Überleben zu tun. Da waren Hass und Eifersucht und Feigheit und all das Zeug, das ich im Hirn dieses kranken Schweins in der Todeszelle gesehen hatte. Je mehr ich las, desto besser erinnerte ich mich daran, wie es gewesen war, in seinem Kopf zu stecken, und desto schneller wollte ich es hinter mich bringen.
    Kristof sah oder spürte mein Unbehagen. Aber er sagte nichts kein »Alles in Ordnung?« oder, noch schlimmer,
    »Komm, lass mich das machen«. Er sah nur gelegentlich zu mir herüber; er wusste, wenn ich darüber reden oder es beenden wollte, würde ich es sagen.
    An der letzten Wand hatte ich meine persönliche Grenze schließlich erreicht, den Artikel, bei dem mein Hirn brüllte, dass es jetzt genug hatte. Die Schlagzeile lautete MODERNE MEDEA MASSAKRIERT KLEINKINDER. Die flotte Alliteration machte mich fast so wütend wie der Inhalt selbst. Ich sah die Journalistin geradezu vor mir, wie sie an ihrem Schreibtisch saß, ohne eine Reaktion auf das unvorstellbare Verbrechen zu zeigen, aber stolz auf sich, weil sie auch noch eine klassische Anspielung im Titel untergebracht hatte.
    Auch ich wusste, wer Medea gewesen war, und wie ich erwartet hatte, ging es in dem Artikel um eine Frau, die ihre Kinder ermordet hatte, um ihren Mann zu bestrafen. Sie hatte drei Kleinkinder, alle unter fünf, in der Badewanne ertränkt und dann in ihre Betten gelegt. Als der Mann nach Hause kam, ging er zu ihnen hinein, um sie zu küssen, wie er es immer tat, und fand sie kalt und tot. Sein Verbrechen? Untreue. Das der Kinder? Keins. Opfer einer Racheaktion, die kein denkbares Verbrechen gerechtfertigt hätte.
    Kristof kam herüber und las über meine Schulter hinweg die Schlagzeile. Er legte mir die Hand auf die Hüfte, und ich lehnte mich sekundenlang an ihn, bevor ich mich losmachte.

    »Wahrscheinlich muss man einfach hoffen, dass es für so was eine Sonderhölle gibt«, sagte ich.
    »Ich bin mir ziemlich sicher, es gibt eine.«
    Ich hätte nichts dagegen gehabt, den Fall auf die »Nein«
    Liste zu setzen und nie wieder daran denken zu müssen. Aber ein Zitat von einer Freundin der Familie in den letzten Zeilen machte mir das unmöglich. Es war die Sorte von Aussage, die ganz normale Leute machen, wenn ihnen plötzlich ein Mikrofon unter die Nase gehalten wird. Die Sorte, die sie dann wieder und wieder in den Nachrichten hören und bei der sie jedes Mal am liebsten schreien würden: »So habe ich das nicht gemeint!«
    Die Freundin hatte zugegeben, dass Sullivan ihrem untreuen Mann fürchterliche Rache geschworen hatte. Warum also war niemand zur Polizei gegangen? »Wir hätten nie gedacht, dass sie die Traute hat, es wirklich zu machen.«
    Ich sah über die Schulter zu Kristof hin und stellte fest, dass sein Mund schmaler wurde, als er die Zeilen las.
    »Die sollte dann wohl ganz oben auf die Liste«, sagte ich.
    »Ganz entschieden. Ich habe hier noch ein, zwei mögliche Fälle.«
    Als wir fertig waren, hatte ich eine Liste von sechs möglichen Morden und dazu drei sehr wahrscheinliche Kandidatinnen.
    »Ich glaube, um Medea kümmere ich mich als Erste«, sagte ich.
    »Alle drei sind im Gefängnis, und ich habe die Codes für ihre Städte.«
    »Hättest du gern, dass ich mitkomme?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Dann bitte doch Jaime, herauszufinden, wo genau diese Medea sich befindet, und ich suche dann die Gefängnisse der beiden anderen.«
    »Danke.«
    Wir verabredeten uns für später bei mir zu Hause, und ich ging, um Jaime zu suchen.

    14
    I ch traf Jaime im Foyer, als sie gerade von ihrer Show zurück kam. Die Computerlounge hatte rund um die Uhr geöffnet, und sie fand die genaue Lage des Gefängnisses sofort. Ich prägte sie mir ein und machte mich auf den Weg.
    Mein Code brachte mich nur bis auf fünfzehn Meilen an Amanda Sullivans Gefängnis heran, den Rest musste ich laufen.
    Den größten Teil der Strecke joggte ich. Ich wollte meine Muskeln strecken und das Gefühl von Klaustrophobie abschütteln, und das war nicht einmal der einzige Grund für meine Eile.
    Die Parzen hatten etwas davon gesagt, dass die Nixe etwa alle zwei Jahre zuschlug, was in mir die Illusion ausgelöst hatte, ich hätte

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