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Nacht der Geister

Nacht der Geister

Titel: Nacht der Geister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelley Armstrong
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Stattdessen ging er zur nächsten Zellentür, sah ins Innere und lächelte. Dann drehte er sich und schob sich seitwärts durch die Gitterstäbe er benahm sich, als sei das Metall eine Barriere, aber als sein Zeh auf einen Stab traf, glitt er hindurch wie der jedes anderen Geistes. Ich ging leise näher heran, bis ich in die Zelle hineinsehen konnte. Auf dem Bett lag eine junge Frau, nicht älter als zwanzig, mit vor Fieber brennenden Augen.
    Der Junge trat neben sie und öffnete die Hand. Auf seiner Handfläche lag eine winzige blaue Feder. Er streckte sie der kranken Frau hin, aber diese stöhnte nur. Ein Stirnrunzeln glitt über sein dünnes Gesicht, doch es dauerte nur eine Sekunde, bis sein strahlendes Lächeln zurückkehrte. Er beugte sich vor und legte die Feder auf ihr Kopfkissen, berührte ihre Wange, ging auf Zehenspitzen zurück zu der Gittertür und schob sich hindurch.
    Als er herauskam, ging ich in die Hocke, so dass unsere Augen auf gleicher Höhe waren. Er sah mich und legte fragend den Kopf zur Seite.
    »Hallo, du«, sagte ich. »Das war eine hübsche Feder. Wo hast du die gefunden?«
    Er grinste, teilte mir mit einer Handbewegung mit, dass ich ihm folgen sollte, und schoss davon.
    »Warte«, rief ich ihm nach. »Ich habe nicht gemeint «

    Er verschwand in einem Nebengang. Ich folgte ihm. Medea konnte warten.
    Als ich um die Ecke bog, stand der Junge vor einer Tür und sprang vor Ungeduld von einem Fuß auf den anderen. Bevor ich etwas sagen konnte, griff er nach der Klinke und tat so, als öffnete er die Tür. Sie rührte sich nicht, aber er verhielt sich, als hätte sie es getan, und schoss durch die imaginäre Öffnung.
    Die Tür führte in einen kurzen Gang mit Regalen voller Putzmittel an den Wänden. Am Ende des Ganges war eine Falltür in den Boden eingelassen. Auch hier tat der Junge wieder so, als öffnete er sie.
    »Ich weiß nicht, ob du das tun «
    Er verschwand nach unten. Ich ging auf alle viere und schob die Beine durch den Boden. Solche Manöver sind desorientierend ebenso wie auf den Fußböden der Menschenwelt zu gehen und auf ihren Stühlen zu sitzen. Es klingt einfach, bis man sich klarmacht, dass diese Böden und Möbel in meiner Dimension nicht existieren. Solange wir sie als wirkliche Gegenstände behandeln, können wir sie auch so gebrauchen, zumindest so weit, dass wir nicht durchfallen. Und so packte ich die Kanten der Falltür und ließ mich vorsichtig hinunter, obwohl ich unter den Fingern nichts spürte.
    Als meine Füße durch die geschlossene Luke verschwanden, sprach ich eine Lichtformel. Die stärkeren Formeln waren in der Menschenwelt reine Glückssache, aber auf die Grundformeln konnte ich mich verlassen. Unter der Falltür befand sich eine halbverrottete Leiter, die unter dem geringsten Gewicht zusammenbrechen würde. Aber glücklicherweise habe ich dieser Tage kein Gewicht mehr, und so setzte ich den Fuß auf die oberste Sprosse und kletterte hinunter.

    Ich landete in einem winzigen, dunklen Raum, der nach Abwasser stank. An einer Wand sah ich eine vernagelte Holztür.
    Als ich auf sie zutrat, bohrte sich etwas in meine Fußsohle, und ich fuhr zusammen. Meine Lichtformel zeigte mir eine kleine grüne Kugel, halb im Dreck des Bodens vergraben. Ich bückte mich und hob sie auf. Eine Murmel. Jadegrün, die gläserne Oberfläche mit Kratzern bedeckt. Ich drehte sie in der Hand und lächelte. Eine Geistermurmel. Ich steckte sie in die Tasche und ging durch die Tür.
    Dahinter lag ein Gang mit schweren Holztüren auf einer Seite, eisenbeschlagen und solide bis auf einen Schlitz auf Augenhöhe, der mit einer Eisenklappe abgedeckt war. Ich hatte es bis zur dritten Tür geschafft, als ich jemanden weinen hörte.
    Das Geräusch kam hinter der Tür hervor. Ich ging hindurch und stand in einem winzigen Raum, leer bis auf eine modrige Matratze auf dem Fußboden, die halb von einer mottenzerfressenen Decke bedeckt war. Aber das Weinen hörte ich immer noch. Es schien von allen Seiten zu kommen, als seien es die Wände selbst, die schluchzten.
    »Es war nicht so gemeint, es war nicht so gemeint«, flüsterte eine Stimme.
    »Wer ist da?«, fragte ich, während ich die Quelle der Stimme zu finden versuchte. »Bist du das, Liebes? Du hast doch gar nichts «
    »Es tut mir so leid, so leid « Eine entschieden weibliche Stimme, unterbrochen von krampfhaften Schluchzern.
    »Gegrüßet seist du, Maria, voll der Gnade, gegrüßet « Ein Schluchzen. »Ich weiß weiß es nicht mehr.

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