Nacht der Geister
eine Investition in mein Karma.«
»Oh nein. Keine Schulden, das ist ein Grundsatz von mir.«
Jaime studierte mich einen Moment lang und nickte dann.
»Okay. Was willst du also von dieser letzten Partnerin? Dir alles über die Nixe erzählen lassen?«
Ich rutschte auf die Sofakissen. »Es ist ein bisschen mystischer. Die früheren Wirte behalten eine Verbindung zu der Nixe. Sie sehen sie und was sie treibt, solches Zeug. Und diese Bilder können über einen Engel an mich weitergegeben werden.«
Sie hörte mitten im Schluck auf, ihr Wasser zu trinken, und runzelte die Stirn. »Über einen was?«
»Yeah, genau so hab ich auch reagiert. Dämonen, damit komme ich klar. Aber Engel?«
»Du bist nicht mehr zu verstehen«, sagte Jaime; ihr Stirnrunzeln vertiefte sich. »Verdammte kosmische Zensur.«
Ich sah sie fragend an, während sie die Flasche zuschraubte.
»So nenne ich es«, sagte sie. »Wenn Geister über Dinge reden, die ich nicht wissen darf, höre ich nur noch abgerissene Worte
wie bei einem Funkgerät mit schlechtem Empfang.«
»Ach so, stimmt ja. Nekros dürfen nicht nach dem Jenseits fragen. Ich nehme mal an, bei Engeln gilt etwas Ähnliches.«
»Du bist schon wieder weg.« Sie zog sich ein Tanktop über den Kopf und trug Deodorant auf.
»Was, wenn ich es buchstabiere?«, fragte ich.
Jaime zog sich eine Bluse an. »Das hab ich noch nie probiert.
Du könntest aber Ärger kriegen.«
»Wäre ja nicht das erste Mal. E n g e l.«
»Nichts. Nicht ein einziger Buchstabe.«
»Hey, wie wär’s mit Scharade?« Ich stand auf und beschrieb mit den Händen Flügel und einen Heiligenschein.
»Ist ja unheimlich«, sagte Jaime. »Du bist einen Moment lang einfach verschwunden. Weg.«
»Verdammt, die sind gut.«
Sie lachte. »Ich wünschte, mein Spamfilter würde annähernd so gut funktionieren.«
»Na ja, ist ja nicht so wichtig. Apropos Spamfilter, wir werden einen Computer brauchen. Du hast bestimmt einen?«
»Ja. Es gibt da nur ein Problem.« Sie sah auf die Uhr. »Ich hab heute Abend eine Show in Milwaukee, und ich muss mir am Vormittag noch das Theater dort ansehen. Aber am Nachmittag habe ich frei, wenn du also mitkommen oder dich dort mit mir treffen willst . . . «
»Ich komme mit.« Dann bestand wenigstens nicht die Gefahr, dass sie es sich anders überlegte. »Wir können ja in ein Internetcafé gehen. Oder eine Bibliothek, aber du wirst dich nicht dabei erwischen lassen wollen, dass du so was recherchierst.«
Sie zog sich eine Jeans an. »Landesweit bekannte Spiritistinnen dürfen sogar das. Wenn ich Morde recherchiere, glauben die Leute, ich mache es aus beruflichen Gründen.« Sie fuhr sich mit den Fingern durchs Haar. »Das Problem ist, wenn der falsche Mensch mich sieht, steht es am nächsten Tag in allen Boulevardzeitungen. Und dann klingelt das Telefon den ganzen Tag, und die Leute wollen, dass ich die Mörder ihrer Angehörigen finde . . . «
»Und von der Sorte Ärger kriegst du auch so schon genug.«
Sie antwortete mit einem abrupten Nicken, ohne aufzusehen.
»Ich glaube, wir kommen auch ohne Internetrecherche aus.«
Sie wühlte in ihrer Handtasche und holte ihr Handy heraus.
»Direktverbindung zu einer vertrauenswürdigen Journalistin.«
Ich gab Jaime meine Liste der Anhaltspunkte für die möglichen Partnerinnen der Nixe. Sie notierte sie und rief die Nummer auf, und ich wusste auf die Sekunde genau, wann jemand ans Telefon ging ich merkte es an dem Ausdruck, halb Entzücken, halb panisches Entsetzen, der über Jaimes Gesicht glitt.
»Uh, äh, JerJeremy«, stammelte sie. »Ich bin’s Jaime. Jaime Vegas, aus dem, äh « Ein kurzes, verlegenes Auflachen. »Ja.
Okay, ich dachte bloß, nur für den Fall, dass du die Stimme nicht erkennst nein, nein, aber du hättest es ja vergessen haben können seit dem letzten Ratstreffen . . . oh, halt, das war erst letzten Monat, stimmt’s?«
Sobald Jaime das Wort »Ratstreffen« aussprach, wusste ich, mit wem sie telefonierte.
Jeremy Danvers, Alpha des Werwolfsrudels. Ich hatte den Mann nie getroffen. Hatte erst nach meinem Tod von ihm gehört. Aber Savannah verbrachte ihre Sommerferien mit den Werwölfen, und inzwischen kannte ich die Mitglieder des Rudels. Jeremy war so weit vom stereotypen Werwolfschlä
ger entfernt, wie man nur sein konnte. Er tolerierte es nicht nur, dass meine Tochter ihm zwischen den Füßen herumlief, er schenkte ihr seine Aufmerksamkeit, hörte sich ihre Probleme an und half ihr mit ihrer Malerei. Savannah
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