Nacht der Geister
liefert. Und wenn Pierre und seine Typen das Boot verlieren, stört mich das auch nicht. Geschieht ihnen ganz recht. Blöde Piratenspielerei, nicht annähernd so unterhaltsam, wie man meinen sollte.«
»Du würdest also einfach verschwinden ?«, fragte ich.
»Klar. Bloß um einen Gefallen würde ich euch bitten. Gebt mir zwanzig Minuten, bevor ihr ablegt. Wenn ihr die Segel setzt, sieht man euch in der Stadt, und ich hätte gern einen Vorsprung, bevor Pierre und seine Freibeuter hinter mir her sind.«
Kris sah mich an. Ich zuckte die Achseln. Wir ließen den Wachmann gehen. Wie angekündigt trabte er am Ufer entlang und verschwand dann zwischen ein paar Bäumen. Während Kris sich das Boot ansah, stand ich Wache, um sicherzugehen, dass Dannyboy nicht wieder auftauchte und in Richtung Stadt rannte, um die Piraten zu warnen.
»Alles in Ordnung?«, fragte ich, als Kris wieder an Deck erschien.
»Bestens. Es ist ein umgebautes Freizeitboot. Ohne Motor natürlich, aber unter Wind und Formeln wird es laufen. Dad hat mir was ganz Ähnliches gekauft, als ich damals nach Harvard gegangen bin.«
»Du hast eine Yacht mit ans College genommen? Die meisten Studenten kriegen ein Auto geschenkt, Kris.«
»Oh, ein Auto hatte ich auch. Genaugenommen sogar zwei.
Der Lotus war für den Winter da oben einfach nicht geeignet.«
Ich schüttelte den Kopf. »Können wir ablegen?«
Ein scharfer Windstoß jagte aus Süden heran, und es war kein natürlicher Wind. Die Segel blähten sich, und das Boot löste sich mit einem Ruck von der Kaimauer. Ich lehnte mich an die Reling.
»Und musst du navigieren oder was?«
»Ich habe einen Kurs nach Roatan eingelegt. Sehr lang wird die Windformel nicht vorhalten, aber sie wird uns hinbringen.«
»Eilt ja nicht. Wir können sowieso erst am Morgen bei Luther Ross auftauchen. Aber wahrscheinlich sollten wir noch eine Weile Ausschau halten, nur für den Fall, dass wir verfolgt werden.«
»Das erledige ich. Und wenn es dir nichts ausmacht, könntest du inzwischen für etwas Deckung sorgen.«
Ich sprach die entsprechende Magierformel. Nebel wallte rings um das Boot auf, und wir segelten aufs Meer hinaus.
Edinburgh 1962
D ie Nixe saß auf einem Barhocker und starrte eine Flasche Scotch an. Sie war zum Greifen zum Trinken nahe.
Früher hätte sie derlei nicht einmal erwogen. Aber jetzt war es so weit gekommen, dass sie eine Flasche Alkohol anstarrte und sich vorstellte, wie die Flüssigkeit in der Kehle brannte
und wie ihr eine angenehme Betäubung folgen würde.
Sie hatte in vielen Partnerinnen gesteckt, die gewisse Erinnerungen vergessen wollten, und die meisten hatten Alkohol verwendet, um es zu tun. Sie hatte sie für diese Schwäche immer verachtet. Sie hatte die Auswirkungen mit zusammengebissenen Zähnen durchgestanden und jeden Augenblick gehasst, in dem ihre Sinne und Gedanken unklar waren. Und jetzt konnte sie sich nichts Besseres vorstellen, als sich das gleiche vorübergehende Vergessen selbst zuzuführen.
Sie konzentrierte sich und griff nach der Flasche. Ihre Finger glitten durch das Glas, durch die bernsteinfarbene Flüssigkeit, und nicht einmal ein Tropfen blieb an ihnen haften. Früher einmal hätte sie gebrüllt vor Frustration und jeden Dämon, den sie nennen konnte, dafür verflucht, dass er sie nicht aus diesem Gefängnis herausholte. Jetzt stöhnte sie nur und sank auf ihrem Hocker zusammen.
Sie hatte keine ordentliche Nahrung gefunden, seit Dachev sie verlassen hatte. Oh, sie hatte sich Partnerinnen gesucht und ihren Anteil an dem Chaos genommen, aber es war einfach nicht dasselbe gewesen. Sie war auf der Suche nach etwas Besserem um die halbe Welt gereist, aber gefunden hatte sie es nicht.
Jede neue Partnerin war nichts als ein armseliger Ersatz.
Es würde niemals wieder jemanden wie Andrei Dachev geben. Einen wahren Seelenverwandten. Zwar war er nichts weiter als ein paranormaler Schatten und außerdem ein Angehöriger einer der geringeren Spezies gewesen, aber er hatte die Macht von Tod und Chaos verstanden, wie es normalerweise nur ein Dämon konnte. Mehr noch, er hatte die Kunst, das Chaos zu schaffen, höher zu schätzen gewusst als die meisten Dämonen, und er hatte ihren Horizont erweitert, ihr Möglichkeiten eröffnet, die sie nie zuvor gekannt hatte, sie die wahre Schönheit körperlichen und geistigen Leidens gelehrt.
Er war damit zufrieden gewesen, ihr zuzusehen, aber sie hatten immer davon gesprochen, Mittel und Wege zu finden
auch ihn in ihre
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