Nacht der Hexen
hab’s nicht so gemeint, Paige – was ich vorhin gesagt habe.«
»Gesagt ist gesagt.«
Ich ging zum Auto zurück.
Ich fuhr schweigend und beantwortete nur Fragen, die mir gestellt wurden.
»Kann ich diese Grimorien sehen, Paige?«, fragte Savannah, während sie vom Rücksitz hochschnellte. Ich nickte. »Vielleicht kann ich dir helfen, das Zeug zu lernen. Oder wir können sie zusammen lernen.«
Ich musste irgendwas sagen. Ich bin nicht gut im Nachtragen; es kommt mir immer zu sehr wie Schmollen vor.
»Sicher«, sagte ich. »Das klingt gut.«
Cortez warf einen Blick nach hinten, auf das Grimorium in Savannahs Händen, und sah dann mich an. Er sagte nichts, aber die Neugier war unverkennbar.
»Später«, formte ich mit den Lippen.
Er nickte, und danach herrschte Schweigen, bis wir East Falls ereichten.
»Okay«, sagte ich, als wir in die Stadt hineinfuhren, »jetzt haben wir eine Entscheidung zu treffen. Wir brauchen diese Graberde, aber ich setze keinen Fuß auf den städtischen Friedhof. Das Letzte, was ich jetzt noch brauche, ist, dass irgendwer im Krankenhaus zum Fenster rausschaut und mich dabei beobachtet, wie ich zwischen den Grabsteinen rumschleiche. Es gibt also noch zwei Möglichkeiten. Erstens, wir fahren zum Distriktfriedhof. Zweitens, wir nehmen den Friedhof in der Stadt, und du gehst und holst die Erde, Cortez.«
Er seufzte.
»Okay, damit ist die Frage wohl beantwortet – wir fahren zum Distriktfriedhof.«
»Es war nicht dein Vorschlag, dem mein Einwand gegolten hat.«
»Was ist dann los?«
»Nichts.«
Savannah beugte sich nach vorn. »Er ist sauer, weil du ihn immer noch C…«
Cortez unterbrach: »Ich bin überhaupt nicht ›sauer‹. Der städtische Friedhof liegt näher. Ich hole die Erde.«
»Macht es dir auch wirklich nichts aus?«
»Nicht das Geringste. Ich müsste die Erde eigentlich durch den Zaun hindurch einsammeln können, ohne dass es nötig sein wird, den Friedhof selbst zu betreten und mich damit der Gefahr des Entdecktwerdens auszusetzen.«
»Haben sie Cary dort beerdigt?«, fragte Savannah. »Direkt am Zaun?«
»Ich glaube, er wurde verbrannt.«
Cortez nickte. »Eine Vorgehensweise, von der ich annehme, dass sie, wenn sie nicht schon vor der Gedächtnisfeier geplant war, mit einiger Sicherheit danach beschlossen wurde.«
»Was du nicht sagst«, sagte ich schaudernd. »Nach dieser Geschichte bin ich selbst eine überzeugte Anhängerin der Feuerbestattung.«
»Moment mal«, sagte Savannah. »Wenn sie Cary verbrannt haben, wie sollen wir dann Erde von seinem Grab nehmen?«
»Gar nicht.«
»Aber Lucas kann die nicht einfach irgendwoher nehmen«, sagte Savannah. »Es muss das Grab von jemandem sein, der ermordet wurde.«
»Was?!«
»Äh, hab ich das nicht gesagt?«
»Nein.«
»Uh, sorry, Leute.«
»Wir haben« – ich sah auf die Uhr – »fünfundvierzig Minuten,um das Grab eines Mordopfers zu finden. Fantastisch. Einfach wunderbar.«
»Fahr an den Straßenrand«, sagte Cortez. »Wir müssen überlegen.«
Wir hatten fast zehn Minuten lang im Auto gesessen, als ich schließlich seufzte und den Kopf schüttelte.
»Ich kann mich nicht mal erinnern, wann in East Falls zum letzten Mal jemand ermordet wurde. Vor Weihnachten ist die Tochter der Willards von einem betrunkenen Autofahrer überfahren worden, aber ich glaube nicht, dass das gilt.«
»Wir sollten’s lieber nicht riskieren.«
Ich ließ den Kopf gegen die Lehne fallen. »Okay. Lasst mich nachdenken.« Ich setzte mich jäh wieder auf. »Ich hab’s! Die Frau in dem Bestattungsinstitut. Die Frau hinter dem Vorhang. Jemand hatte sie erschossen. Ich kenne die Geschichte nicht – wahrscheinlich weil ich seither einen großen Bogen um sämtliche Zeitungen gemacht habe –, aber das ist doch Mord, oder? Oder könnte es auch Totschlag gewesen sein?«
»Mit Vorbedacht oder nicht, es scheint mir ein klarer Fall von absichtlicher Tötung zu sein, und das wird reichen. Ist sie in der Stadt begraben?«
»O Gott, ich weiß es nicht. Ich hab sie nicht erkannt. Wahrscheinlich war sie nicht aus East Falls, aber ganz sicher kann ich mir da nicht sein. Scheiße! Oh, Moment. Das steht doch bestimmt in der Lokalzeitung, oder? Wenn wir an die Ausgaben von letzter Woche rankämen –«
»Wie sollen wir das anstellen?«, fragte Savannah.
»Moment, lass mich nachdenken.« Ich überlegte; dann lächelte ich plötzlich. »Hab’s. Elena. Sie ist Journalistin. Sie müsste eigentlich wissen, wie man an solche Informationen
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