Nacht der Hexen
halten müssen. Des
menschlichen
Gesetzes wohlgemerkt. Keine geheimen Treffen, bei denen von Magiern und Kabalen geredet wird –«
»Was hat das mit den Kabalen zu tun?«
»Ich meine nur, in Gegenwart eines menschlichen Anwalts können sie über solche Sachen nicht reden. Wenn sie menschliche Gesetze bemühen wollen, lass sie doch. Ich spiele mit.« Sie lehnte sich gegen die Rückenkissen zurück. »Vielleicht ist das doch keine so blöde Idee.«
»Freut mich, dass ich deine Billigung habe.«
Der Freitagmorgen begann auf eine sehr vertraute Weise. Wieder einmal beschloss ich, Savannah nicht zur Schule zu lassen, ließ mir die Hausaufgaben für sie geben, lieferte sie bei Abby ab und fuhr dann wieder zu Carys Kanzlei, wo um zehn Uhr das nächste Treffen anstand.
Diesmal traf ich mich mit Grant Cary junior. Jawohl, ich hatte mich für Grant junior entschieden. Trotz meiner Bedenken seiner Lebensführung wegen, er war ein guter Anwalt. Er kannte mich … okay, nicht so gut, wie er mich gern gekannt hätte, aber gut genug. Als ich am Tag zuvor mit ihm telefoniert hatte, hatte er den Eindruck erweckt, dass der Fall ihn interessierte. Wir hatten vereinbart, uns um zehn zu treffen; danach hatte ich für elf ein Treffen mit Leah und Sandford ausgemacht.
Ich saß inzwischen seit zwanzig Minuten in Carys Büro und sah zu dem gigantischen Fenster hinter seinem Schreibtisch hinaus, während er sich die Papiere durchlas. Bisher war alles gut verlaufen. Von dem langen Blick abgesehen, den er auf meine Titten geworfen hatte, als ich hereinkam, hatte er nichts Unangebrachtes getan. Wahrscheinlich hatte ich dem Mann Unrecht getan. Ich scheine eine Menge Typen vom Schlag Cary anzuziehen, verheiratete Männer in den Vierzigern, die in mir vielleicht nicht gerade die umwerfende Blondine sehen, die sich an ihrem Arm gut machen würde, aber jedenfalls eine junge Frau, der die Aufmerksamkeit eines älteren Mannes vielleicht schmeicheln und Spaß machen würde.
Nach dem, was ich von Grantham Cary junior gesehen hatte, versuchte er es wahrscheinlich bei jeder Frau, die er traf. Sie kennen den Typ: der amerikanische Junge wie von einemWerbeplakat, im Jahr 1975 der hellste Stern der Stadt, jedes Mädchen macht sich in die Hosen, wenn er auch nur in ihre Richtung sieht. Und jetzt der Schnellvorlauf ins Jahr 2001. Das wöchentliche Golfspiel reicht nicht mehr, um den Rettungsring um die Hüften unter Kontrolle zu halten, er hat sich vor kurzem einen unauffälligen Seitenscheitel zugelegt, um die wachsende Tonsur zu verdecken, er kneift die Augen zusammen, um die Bifokalbrille nicht aufsetzen zu müssen, die er in der Schreibtischschublade liegen hat, und er verbringt seine Tage in einem Büro voller jahrzehntealter Sporttrophäen. Immer noch ein attraktiver Typ, aber wenn er jetzt noch angeschmachtet wird, ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass die Aufmerksamkeit seinem Konto als seinem Bizeps gilt.
»Hm«, sagte Cary, während er das letzte Blatt auf den Stoß zurücklegte. »Das ist allerdings ungewöhnlich.«
»Ich … ich kann’s erklären«, sagte ich. Konnte ich das?
»Lassen Sie mich raten«, sagte Cary. »Sie sind in Wirklichkeit keine Hexe, und das hier ist einfach ein Versuch, das Sorgerecht für Savannah zu bekommen, indem sie ein unschönes Element aus der Vergangenheit von East Falls wieder ans Tageslicht zerren und an die historische Paranoia der Leute in diesem Teil Neuenglands appellieren.«
»Hm, ja«, sagte ich. »So was in der Art.«
Cary lachte. »Machen Sie sich keine Sorgen, Paige. Es ist ein sehr durchsichtiger Plan, ganz offensichtlich auf dem Mist von Leuten gewachsen, die über das moderne Massachusetts herzlich wenig wissen. Sie sagen, dieser Mann, Kristof Nast, hat keine Beweise dafür, dass er Savannahs Vater ist. Aber ich gehe davon aus, dass er bereit ist, sich einem Gentest zu unterziehen?«
»Gentest?«
»Wir können uns in dieser Sache ja nicht einfach auf sein Wort verlassen.«
Natürlich konnten sie das nicht. Dies war ein menschliches Verfahren, und es verlief nach menschlichen Regeln. Jeder Paranormale wusste, dass wir es einfach nicht riskieren konnten, Menschen unsere DNS studieren zu lassen, aber für einen Richter war es ein so unproblematisches Beweisstück, dass eine Verweigerung praktisch gleichbedeutend mit dem Eingeständnis eines versuchten Betrugs sein würde.
»Er wird einem Gentest nicht zustimmen«, sagte ich.
Carys Augenbrauen schossen nach oben. »Sind Sie sich da
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