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Nacht der Hexen

Titel: Nacht der Hexen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelley Armstrong
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Travis Willard. Ich mochte Willard, was seine Drückebergerei noch schlimmer erscheinen ließ. Wenn er nicht bereit war, mir gegen Cary beizustehen, wer sollte es sonst tun? Man hätte sagen können, East Falls sei eben eine typische Kleinstadt, borniert und nach außen hin ständig in Verteidigungsstellung, aber ich war in einer kleinen Gemeinde aufgewachsen, und es war dort vollkommen anders zugegangen.
    Wenn die Ältesten mich doch bloß wegziehen ließen … aber das führte zu Grübeleien über ein ganz anderes Thema, und ich hatte schon genug für die ganze Nacht.
    Am nächsten Morgen war alles ruhig – nicht weiter überraschend angesichts der Tatsache, dass es Sonntag und dass dies East Falls war. Um neun Uhr klingelte das Telefon. Ich sah mir die Anruferidentifikation an, die nichts preisgab. Wenn jemand nicht will, dass man weiß, wer er ist, stehen dieChancen gut, dass es jemand ist, mit dem man auch nicht unbedingt reden will.
    Ich ließ den Anrufbeantworter drangehen und setzte den Kessel auf. Der Anrufer legte auf.
    Zehn Minuten später klingelte das Telefon wieder. Noch ein unbekannter Anrufer. Ich nippte an meinem Tee und wartete darauf, dass er auflegte. Stattdessen hinterließ er mir eine von Handy-Störgeräuschen halb übertönte Nachricht.
    »Paige, Grant hier. Ich würde gern mit Ihnen reden wegen gestern Abend. Ich bin um zehn in der Kanzlei.«
    Ich griff nach dem Hörer, aber er hatte schon aufgelegt. Die Rückruffunktion ergab nichts. Ich überlegte einen Moment, dann schüttete ich meinen Tee in den Ausguss und ging den Flur entlang zu Savannahs Zimmer.
    »Savannah?«, rief ich, während ich an die Tür hämmerte.
    »Zeit aufzustehen. Wir haben was zu erledigen.«

Völlig schwerelos
     
    A ls wir in Carys Kanzlei eintrafen, war die Rezeption verlassen. Nicht weiter überraschend; ich bezweifelte sehr stark, dass es Cary recht gewesen wäre, wenn Lacey diese Unterhaltung mithörte. Unsere Schritte hallten in der Leere, als wir über den Dielenboden gingen.
    »Hallo!« Carys Stimme trieb aus seinem Büro im zweiten Stock herunter. »Ich komme sofort!«
    Ich begann die Treppe hinaufzusteigen, Savannah hinter mir. Aus Carys Büro kam das Rascheln von Papier, gefolgt vom Quietschen seines Stuhls.
    »Tut mir leid«, sagte er, noch bevor wir ihn zu Gesicht bekamen. »Keine Sprechstunde am Sonntag, fürchte ich, meine Frau kann nicht –« Er trat in die Tür und zwinkerte verblüfft.
    »Paige? Savannah?«
    »Mit wem haben Sie denn gerechnet?«
    Er verschwand wieder in seinem Büro. Ich folgte ihm und winkte Savannah hinter mir her.
    »Neuer Mandant«, erklärte Cary. »Ist aber erst um halb elf fällig, also nehme ich an, ich habe ein paar Minuten Zeit. Lacey hat mir erzählt, Sie sind gestern bei mir zu Hause vorbeigekommen. Anscheinend habe ich auf der State Street Ihr Auto gestreift. Ich bin in den Ort gefahren, weil ich ein paar Sachen aus der Reinigung abholen wollte. Ich kann nicht behaupten, dass ich mich erinnern könnte, irgendwas gerammtzu haben, aber ich hab tatsächlich einen Kratzer auf der vorderen Stoßstange. Natürlich tut es mir furchtbar leid –«
    »Jetzt hören Sie doch mit dem Mist auf. Sie wissen genau, was Sie getan haben. Wenn Sie mich herbestellt haben, um Entschuldigungen zu machen – die will ich nicht hören.«
    »Herbestellt?« Er runzelte die Stirn, während er sich wieder auf seinen Stuhl setzte. Ich beobachtete sein Gesicht auf Anzeichen von Heuchelei hin, konnte aber keine erkennen.
    »Sie haben mich gar nicht angerufen, stimmt’s?«, fragte ich.
    »Nein, ich … das heißt, selbstverständlich
hätte
ich angerufen –«
    »Wo ist Lacey?«
    Ein noch deutlicheres Stirnrunzeln. »In der Kirche. Sie ist diese Woche an der Reihe damit, Reverend Meacham beim Aufbauen zu helfen.«
    »Das ist eine Falle«, murmelte ich. Ich sah mich nach Savannah um. »Wir müssen raus hier. Jetzt.«
    »Was ist eigentlich los?«, fragte Cary, während er von seinem Schreibtisch aufstand.
    Ich schob Savannah in Richtung Tür, überlegte es mir dann anders und riss sie hinter mich, bevor ich mich in Bewegung setzte. Sie packte mich am Arm.
    »Vorsicht«, murmelte sie.
    Stimmt. Zur Tür hinauszustürmen war wahrscheinlich keine sonderlich gute Idee. Ich hatte einfach zu wenig Erfahrung damit, um mein Leben rennen oder kämpfen zu müssen. Savannah hatte schon jetzt zu viel davon.
    Ich winkte Savannah zurück und schob mich um den Türpfosten herum, um in den Gang hinaussehen zu können.

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