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Nacht der Hexen

Titel: Nacht der Hexen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelley Armstrong
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fürchterliche Regen von Blut. Einen halben Meter von ihm entfernt blieb ich stehen, krümmte mich zusammen und begann zu würgen.
    Grantham Cary junior kippte aus dem Stuhl und landete mit ausgestreckten Gliedmaßen auf dem Boden. Sein Kopf war zerdrückt wie eine überreife Frucht, eine Pfütze aus Blut und Hirn. Er war mit solcher Gewalt aus seinem Büro geschleudert worden, dass eine riesige Glasscherbe seinen Magen durchbohrt hatte und dass sein Arm abgetrennt worden war, als er auf einer Ecke des Hochbeets aufschlug; die Hand umklammerte immer noch die Armlehne. Ich sah all das, und ich erinnerte mich an Leahs Lächeln und Winken, und ich wusste nicht, was schlimmer war.
    »Paige?«, flüsterte Savannah. Als ich aufblickte, sah ich ihr Gesicht; es war kreideweiß, und sie starrte Cary an, als sei sie außerstande, den Blick abzuwenden. »Wir – wir sollten gehen.«
    »Nein«, sagte eine Stimme hinter uns. »Ich glaube, das sollten Sie lieber nicht tun.«
    Sheriff Fowler trat durch die offene Terrassentür.

Anwaltsroulette
     
    L eah hatte mir den Mord an Grantham Cary junior in die Schuhe geschoben.
    Nehmen Sie eine Frau, der schon Hexerei und Satanismus vorgeworfen werden, eine Frau, von der bekannt ist, dass sie in der Öffentlichkeit mit dem ermordeten Mann gestritten hat, und die ihn dann beschuldigt hat, absichtlich ihr Auto gerammt und ihre Pflegetochter verletzt zu haben. Diese Frau verabredet sich unter Vorspiegelung falscher Tatsachen mit ihrem früheren Anwalt in dessen Kanzlei – an einem Sonntag, wenn seine Frau früh zur Kirche geht. Die Polizei erhält einen Anruf – eine Nachbarin macht sich Sorgen wegen des wütenden Geschreis, das sie aus dem Büro hören kann. Die Polizei kommt. Das Haus ist leer mit Ausnahme der Frau und ihrer Pflegetochter. Und wer war der Mörder? Um sich das denken zu können, braucht man nicht gerade Sherlock Holmes zu sein.
    Auch diesmal wieder war die Polizei von East Falls nicht dafür ausgerüstet, einen solchen Fall zu bearbeiten, also zogen sie die Staatspolizei hinzu, die mich zu ihrem Revier fuhr. Die Polizisten verhörten mich drei Stunden lang – immer wieder die gleichen Fragen; sie bohrten und pöbelten, bis ich die Stimmen noch im Kopf hallen hörte, selbst wenn sie zwischendurch auf eine Zigarette oder einen Kaffee verschwanden.
    Sie hatten alles, was ich im Lauf der letzten beiden Tage getan hatte, genommen und zurechtgedreht, bis es zu ihren Theorien passte. Meine Tirade über Satanismus? Der Beweis, dass ich reizbar und leicht zu provozieren war. Meine Reaktionen in der Bäckerei? Ein sicheres Zeichen dafür, dass ich außerdem paranoid war und eine einfache Einladung zum Kaffee gleich als unsittlichen Antrag auffasste. Meine Beschuldigungen im Zusammenhang mit dem Auffahrunfall? Der Beweis, dass ich mich an Cary rächen wollte.
    Alles, was ich über schwarze Messen gesagt hatte, hörte sich jetzt nachträglich auf einmal nach Ablenkungsmanövern an – ich hatte sogar die Existenz von Satanskulten bestritten, um von meiner eigenen Teilnahme an solchen Praktiken abzulenken. Vielleicht hatte Cary die Wahrheit erfahren und sich geweigert, mich weiterhin zu vertreten. Oder vielleicht hatte auch ich ihn anzumachen versucht und dann beleidigt reagiert, als er mich abblitzen ließ. Vielleicht hatte er ja wirklich sein Glück bei mir versucht – aber erwartete ich denn allen Ernstes, die Polizei würde mir glauben, dass er über die Zurückweisung hinreichend verärgert gewesen war, um mit seinem neuen Mercedes-Geländewagen meinen sechs Jahre alten Honda zu rammen? Erwachsene Männer taten derlei nicht. Ganz sicher nicht Männer wie Grantham Cary junior. Ich war einfach paranoid. Oder hatte Wahnvorstellungen. Oder war eben ganz generell ein bisschen verrückt. War ich nicht kreischend wie eine Verrückte an seiner Haustür aufgetaucht, hatte wilde Anschuldigungen verbreitet und Rache angekündigt? Was war mit Laceys Bericht über elektrische Fehlfunktionen unmittelbar nach meinem Besuch? Nicht, dass die Polizisten mich etwa der Hexerei bezichtigt hätten – rationale Leute glaubten nicht an solches Zeug –, aber
irgendwas
hatte ich jedenfalls getan. Und zuallermindest war ich des Mordes an Grantham Cary junior schuldig.
    Nach drei Stunden verschwanden beide Ermittler, um eine Pause einzulegen. Augenblicke später öffnete sich die Tür, und herein kam eine Frau Mitte dreißig, die sich mir als Detective Flynn vorstellte.
    Ich ging im Raum auf und ab;

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