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Nacht der Hexen

Titel: Nacht der Hexen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelley Armstrong
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mein Magen rebellierte nach drei Stunden der Sorge um Savannah. War sie hier auf dem Revier? Oder hatte die Polizei Margaret angerufen? Was, wenn all dies zu Leahs Plan gehörte – mich einsperren zu lassen, während sie sich Savannah griff?
    »Kann ich Ihnen irgendwas besorgen?«, fragte Flynn im Hereinkommen. »Kaffee? Oder lieber irgendwas Kaltes? Ein Sandwich?«
    »Ich beantworte hier keine Fragen mehr, bevor mir nicht irgendwer sagt, wo Savannah ist. Ich frage und frage, und es kommt nichts außer ›Sie ist in Sicherheit‹. Das ist nicht gut genug. Ich muss wissen –«
    »Sie ist hier.«
    »Wo genau? Savannah steht im Mittelpunkt eines Sorgerechtsstreits. Ich habe das Gefühl, Sie alle verstehen nicht ganz –«
    »Wir verstehen, Paige. Im Augenblick ist Savannah im Nebenzimmer und spielt Karten mit zwei Beamten. Bewaffneten Polizeibeamten. Ihr passiert nichts. Sie haben ihr zum Mittagessen einen Burger besorgt, und es geht ihr bestens. Sie können zu ihr, sobald wir hier fertig sind.«
    Endlich jemand, der mich nicht behandelte wie eine überführte Mörderin. Ich nickte und setzte mich wieder an den Tisch.
    »Dann bringen wir’s doch hinter uns«, sagte ich.
    »Gut. Sind Sie sicher, dass ich Ihnen nicht doch irgendwas besorgen soll?«
    Ich schüttelte den Kopf. Sie setzte sich auf den Stuhl gegenüber und beugte sich vor; ihre Hände berührten beinahe meine eigenen.
    »Ich weiß, dass Sie das nicht allein getan haben«, sagte sie.
    »Ich habe gehört, was mit Grantham Cary passiert ist. Ich bezweifle, dass Mr. Universe das zustande gebracht hätte, von einer jungen Frau Ihrer Größe gar nicht zu reden.«
    Aha, dies also war die nette Polizistin, diejenige, deren Aufgabe es war, mich dazu zu bringen, dass ich alles vor ihr ausbreitete. Eine Frau, älter als ich, mütterlich, verständnisvoll. Als ich da saß und sie mir ansah, wurde mir auch klar, warum diese abgedroschene Polizeimasche immer wieder funktioniert. Weil ich mir nach Stunden des Angebrülltwerdens, während derer ich mir vorgekommen war wie ein degenerierter Untermensch, verzweifelt ein bisschen Anstand und Respekt wünschte – dass jemand sagte ›Sie sind keine kaltblütige Killerin und verdienen nicht, wie eine behandelt zu werden‹.
    Ich wusste, dass dieser Frau nicht das Geringste an mir lag. Ich wusste, sie wollte nichts weiter als ein Geständnis, damit sie sich dann von ihren Kollegen feiern lassen konnte, die währenddessen hinter dem Einwegspiegel zusahen. Und trotzdem konnte ich nicht verhindern, dass ich mir wünschte, mich ihr anzuvertrauen, ihr ein Lächeln oder einen mitfühlenden Blick zu entlocken. Aber ich wusste es besser. Und so musterte ich sie kalt und sagte: »Ich will einen Anwalt.«
    Ein kleines Grienen verunstaltete die Wärme in Flynns Blick.
    »Ja nun, das könnte schwierig werden, Paige – in Anbetracht der Tatsache, dass sie ihn gerade ins Leichenhaus gefahrenhaben. Vielleicht verstehen Sie den Ernst der Lage nicht ganz –«
    Die Tür öffnete sich und schnitt ihr das Wort ab. »Sie versteht den Ernst der Lage vollkommen«, sagte Lucas Cortez im Hereinkommen. »Deshalb fragt sie ja nach ihrem Anwalt. Ich werde davon ausgehen, Detective, dass Sie diesem Wunsch gerade nachkommen wollten.«
    Flynn schob ihren Stuhl zurück. »Wer sind Sie?«
    »Ihr Anwalt natürlich.«
    Ich versuchte den Mund zu öffnen, aber es ging nicht. Er war wie versiegelt – nicht von Verzweiflung oder Furcht, sondern mittels einer Formel. Einer Bindeformel.
    »Und wann hat Paige Sie angeheuert?«, fragte Flynn.
    »Der Name ist ›Ms. Winterbourne‹, und sie hat sich meiner Dienste gestern Nachmittag um vierzehn Uhr versichert, kurz nachdem sie Mr. Cary wegen sexueller Belästigung gefeuert hatte.«
    Cortez ließ einen Ordner auf den Tisch fallen. Während Flynn das erste Dokument las, wobei sich das Stirnrunzeln immer tiefer in ihr Gesicht grub, brachte ich es fertig, die Augen weit genug zu bewegen, um Cortez sehen zu können. Er tat so, als studierte er das Poster an der Wand hinter mir, hielt die Augen in Wirklichkeit aber auf mich gerichtet, wie ein Bindezauber es erfordert.
    Der Zauberlehrling beherrschte also etwas Hexenmagie. Überraschend, aber nicht schockierend. Ich kannte bessere Formeln, und von einigen davon wünschte ich mir sehnlich, sie eben jetzt in seine Richtung schleudern zu können, aber meine Unfähigkeit zu sprechen machte mir derlei leider unmöglich. Außerdem – eine Spur verstörend war es schon, dass er

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